Deja-Vu – Erinnerungen aus meiner Kindheit

Heidi Reiter

von Heidi Reiter

Story
Wörthersee

Meine Morgenroutine wird jeden Tag stabsplanmässig durchexerziert, in dem ich frühmorgens immer eine Runde mit meinem Hund, einem sturen, widerspenstigen Dachsbrackenmischling namens Benny mache. Er ist von uns beiden definitiv der Boss und macht immer nur das, was er will. Da er extrem anweisungsresistent ist und sämtliche herkömmliche Hundebefehle schon seit jeher geflissentlich ignoriert, geht eigentlich immer er mit mir und nicht umgekehrt. Aber dann denke ich mir immer, naja was solls, Hunde sollen ja auch ihre gewissen Freiheiten haben und nicht nur nach der Pfeife ihres Herrchens tanzen. Auf unserem Spaziergang kommt uns plötzlich ein schwarzer SUV entgegen, welcher relativ langsam fährt – unwillkürlich schaue ich in das Auto und sehe den Lenker, nicht angegurtet und auf seinem Schoss einen Säugling, den er mit einem Arm hält und mit der anderen Hand relativ lässig das Auto lenkt. Ich bin echt geflasht von dieser Verantwortungslosigkeit, habe aber plötzlich ein Deja-Vu und mir kommen Kindheitserinnerungen auf und wie „gefährlich“ wir eigentlich unsere Kindheit verbracht hatten. Auf jeden Fall hatten wir definitiv großes Glück, dass wir es unter diesen Umständen überhaupt bis ins Erwachsenenalter geschafft haben. Bei uns gab es nämlich noch überhaupt keinen Gurt, Safety First war ein Fremdwort im Wortschatz unserer Eltern. Wir wurden einfach auf den Hintersitz gesetzt oder auch gelegt und dann ging die Fahrt schon los, was dann mit uns während der Fahrt passierte, war für unsere Eltern sekundär, denn die mussten sich ja auf das Fahren konzentrieren. Taxidienst für den Schulweg – hin und retour, das waren die öffentlichen Verkehrsmittel, welche wir täglich mit Freuden genutzt haben und auch schon mal bei der Heimfahrt einen Zug absichtlich verpasst haben, um uns noch ein kleines Quäntchen Freiheit herauszuholen und um nach der Schule nicht gleich nachhause zu müssen. Ein Handy war ein Luxusartikel und war auch nur wenigen Privilegierten vorbehalten, die sich ein Auto mit Telefon leisten konnten, das D-Netz. Für uns Kinder waren diese Menschen immer etwas spooky und wir konnten uns gar nicht vorstellen, wie man mit so einem Gerät überhaupt telefonieren kann, denn wir hatten ja noch Festnetzanschluss und man glaubt es kaum, auch noch „Telefonzellen“! Wenn wir uns mit Freunden treffen wollten, sagten wir zu Hause einfach – „wir sind dann mal weg“ und spätestens bis zum Abendessen wieder da. Mit den Freunden funktionierte irgendwie immer alles nach einem gewissen Buschtrommelprinzip und in kürzester Zeit hatte sich die komplette Gang aus der Nachbarschaft zusammengefunden und es wurden wieder neue Spiele erfunden, welche an Profanität nicht mehr zu überbieten waren. Spätestens wenn dann der Hunger kam, wussten wir, es ist Zeit nachhause zu gehen. In meinen Erinnerungen versunken, kommt mir wieder der SUV Fahrer in den Sinn und ich denke mir, eigentlich recht mutig aber auch ein bisschen leichtsinnig, aber vielleicht sollte man heutzutage den Kindern wieder mehr Freiheit schenken und weniger Kontrollzwang und mir fällt ein Zitat von Goethe ein, es gibt nur zwei Geschenke, welche man Kindern mit auf den Weg geben sollte, nämlich Wurzeln und Flügel…..



© Heidi Reiter 2024-08-08

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional, Komisch, Inspirierend, Adventurous, Hopeful
Hashtags