Delta del Po – magische Momente

Ingeborg Berta Hofbauer

von Ingeborg Berta Hofbauer

Story

„Wer reist, weiß, dass die Zeit dehnbar ist. Die Griechen wussten das, sie hatten drei Begriffe für ‚Zeit‘: Kronos bedeutet Geschäftigkeit und Zeitdruck. Aion bezeichnet etwas ganz anderes: die ewige, unermessliche Gegenwart, die man in Augenblicken der Muße genießt und die nur die Götter messen können. Der dritte und geheimnisvollste Begriff ist Kairos. Der bezeichnet den günstigen Zeitpunkt, das Unvorhersehbare“ (Paolo Rumiz)

Diesmal folge ich dem italienischen Reiseschriftsteller Paolo Rumiz und mache mich auf, um das Po-Delta zu entdecken. In seinem Buch „Die Seele des Flusses“ eröffnet er einen Blick auf ein weitgehend unbekanntes Italien. Mein Agriturismo, Villa Anconetta, entpuppt sich als prachtvolles, italienisches Herrenhaus, an einem breiten Wasserkanal, inmitten eines Parks mit Brunnen, Statuen, Terrakotta Kübeln, welche bepflanzt mit Zitronenbäumen. Spätestens bei diesem Anblick ist man in Italien angekommen. Angekommen im Herzen der Po Ebene. In der Ferne zeichnen sich schemenhaft die Umrisse der Euganäischen Hügel ab, die Landschaft ist geformt durch Kanäle, Dämme und Schilf.

Die mächtige Energie der beiden Flüsse Etsch und Po ist körperlich spürbar. Beide münden in unmittelbarer Nachbarschaft ins Meer. Hier herrscht eine Atmosphäre der Diskrepanz: Einschläfernde Ruhe, gepaart mit erregender Spannung. In Nel Polesine, Büro des Nationalparks, erkundige ich mich nach Bootstouren und ergattere den letzten Platz auf einem kleinen Aussichtsboot. Dafür muss ich nach Porto Tolle fahren, zu Niky dem Bootsführer und seinem Ablegesteg. Diese Bootsfahrt wird mir unvergesslich bleiben. Kreuz und quer schippern wir zunächst entlang des Wasserarms “Po di Venezia” und beobachten unzählige Vögel: Kormorane, Schwäne, Silberreiher, Flamingos, Stelzenläufer, Brandenten, Kleiner Regenpfeifer, Großer Regenpfeifer und viele weitere mehr. Ein Paradies für Ornithologinnnen und Ornithologen. Eine solche bin ich zwar nicht, doch wächst meine Begeisterung dafür zunehmend. Niky erklärt und gibt bereitwillig Auskunft.

An einem wackeligen Anleger macht er das Boot fest und wir steigen auf einen Steg hinaus, gehen einen Pfad durch das Schilf entlang und treten nach wenigen Schritten ins Freie. Ein unerwarteter Anblick breitet sich vor mir aus und mir bleibt für einen kurzen Moment der Atem weg. Aion hat mich gepackt, die ewige, unermessliche Gegenwart. Vor mir liegt ein unendlich weißer Sandstrand, nur gestört von Treibholz und einigen windschiefen Unterständen für Fischer. Die Adria, so weit das Auge reicht, majestätisch und erhaben. Das Mare Nostrum der Römer. Niky zaubert kalten Spumante aus seiner Kühlbox und serviert ihn in Sektgläsern. Auf der Rückfahrt fährt er noch ein paar Meter ins offene Meer hinaus, was nicht ungefährlich ist. In der Ferne ist der Leuchtturm von Punta Maestra zu sehen. Unter dem dünnen Boden des Bootes vermählt sich das Süßwasser des Po’s mit dem Meerwasser.

© Ingeborg Berta Hofbauer 2022-10-01

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