(De)manzipation

Kirsten Baumgartner

von Kirsten Baumgartner

Story

“Manchmal muss man seine Meinung herunterschlucken”, dachte ich mir letzte Tage wieder als ich abends auf meinem Sofa lag und ich meinen Alltag Revue passieren ließ. Wie ich auf diesen Gedanken kam? Ich hatte an diesem Tag ein sehr unangenehmes Gespräch hinter mir. Ich hatte vor kurzem beschlossen, mein Studium weiterzuführen, weil ich mehr Möglichkeiten am Arbeitsmarkt haben wollte. Eine Person (ich verrate an dieser Stelle noch nicht das Geschlecht), fragte mich auf meine Absicht hin:

“Bist du da nicht schon zu alt für? Was ist denn, wenn du Kinder haben möchtest?”

Dieser Satz traf mich wie ein Laster auf einer kaum befahrenen Straße: vollkommen unerwartet. Nicht nur, dass ‘alt’ nun wirklich kein ernstzunehmendes Attribut in unserer Zeit sein sollte: Was hatte die Person mit meiner Zukunft am Hut? Ich merkte, wie die Wut in mir hochstieg, aber im letzten Moment schaffte ich es noch, mich zusammenzureißen. Ich brach das Gespräch daraufhin recht schnell ab, da es mir ziemlich unangenehm war, mich für etwas zu rechtfertigen, was für mich längst gesetzt war und nicht zur Debatte stand.

Was glaubt ihr: Welches Geschlecht hatte die Person? Achtung Spoiler: Es war eine Frau. Wahrscheinlich war ich deshalb so schockiert.

In unserem Alltag wird uns Frauen oft suggeriert, dass es die Männer sind, die uns kleinhalten wollen. Tatsächlich kann ich da nur Gegenteiliges berichten. Meistens bekam ich bisher Gegenwind von Frauen, eher weniger von Männern. Woran das liegt? Eifersucht vielleicht? Ich denke, das wäre zu einfach. Das ist eher ein Generationsproblem. Junge Frauen heutzutage (als solche würde ich mich bezeichnen), sind es nicht mehr gewohnt, mit solchen Fragen konfrontiert zu werden. Manche Frauen in anderen, früheren Generationen schon. Und deswegen, weil sie es eben nicht anders kennen, bekommen wir Jungen teilweise solche Fragen gestellt.

Eigentlich war es weniger der Schock, der tief in mir saß, sondern die Enttäuschung. Wir leben in einer Zeit, wo sich schon viele Geschlechterprobleme gelöst haben. Eigentlich sollten wir Frauen versuchen uns gegenseitig zu unterstützen und uns nicht gegenseitig unsere Träume schlechtreden. Wenn das zur Alltagspraxis wird, dann demanzipieren wir uns schneller, als wir glauben. Ohne gegenseitige Unterstützung werden die Träume, die wir Frauen haben, nie so anerkannt werden, wie wir es uns wünschen, weil sie immer noch unüblich sind.

Ich trage es ihr nicht nach. Wenn man nichts anderes kennengelernt hat, dann merkt man selber manchmal vielleicht nicht, dass man etwas sagt, dass in das heutige Bild nicht mehr hineinpasst.

Und weil ich weiß, dass man nur sein eigenes Verhalten ändern kann, aber auf das der anderen keinen Einfluss hat, änderte ich etwas. Am nächsten Tag erzählte mir eine Kollegin, dass sie sich gerne weiterbilden würde, aber noch nicht weiß, ob sie den Schritt wagen sollte. Ich habe sie bestärkt. Von wegen Demanzipation.

© Kirsten Baumgartner 2022-04-01

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