von Sophie Jones
Sprechen wir über Depressionen. Ein Thema, das vielen Menschen unangenehm aufstößt, genau wie eine Bockwurst mit Senf und deshalb mag ich es darüber zu sprechen. Weil es wichtig ist. Und nichts wofür man sich schämen müsste. Depressionen sind in etwa so alltäglich wie Haarausfall und trotzdem, weiß die breite Masse so wenig darüber, wie über die wahre Existenz des Ungeheuers von Loch Ness. Überraschung, Depressionen gibt es wirklich. Und sie sind kein Phänomen, wie Kopfschmerzen bei aufziehendem Regen oder Schlafstörungen bei Vollmond. Es ist eine reale Erkrankung und muss genauso dringend behandelt werden, wie eine Axt im Bein. Nur dass man sie nicht sieht. Sie bluten nicht, eitern nicht und hinterlassen keinen Fettfilm. Man muss ihretwegen weder brechen noch humpeln und hat auch keinen Muskelkater. Kein Scan, Urintest oder Abtasten erkennt sie, sie sind einfach unsichtbar. Deswegen kurz meine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, um sie Nichtbetroffenen ein wenig verständlicher zu machen: Depressionen sind wie ein nie enden wollender Magen-Darm-Virus. Im einen Moment denkst du, dir geht es gut und du kannst das Haus verlassen und zwei Sekunden später ist alles zum Kotzen und du fühlst dich komplett leer. Du willst dich übergeben, alles rauslassen aber das, was in dir drin ist und dich belastet, kommt nicht mal mit Abführmittel und Finger im Hals raus.
Depressionen sind wie eine nächtliche Bushaltestelle und der letzte Bus ist vor einer halben Stunde abgefahren. Du stehst alleine in der Dunkelheit, die kleine Glühbirne ist längst durchgebrannt und um dich herum nur Dunkelheit und Kälte. In der Ferne hupen Autos, aber du bist viel zu weit weg, als dass dich jemals jemand wahrnehmen könnte. Diese Dekade kommt kein Bus mehr an dir vorbei und du bist verloren.
Depressionen sind wie Herpes. Supernervig und hässlich, tun weh und gerade wenn du denkst, du wärst sie los, sind sie wieder da. Keine Salbe der Welt hilft wirklich, sondern nur durchhalten. Man spricht in etwa so gern darüber, wie über Hämorrhoiden. Und jetzt die gute Nachricht: Depressionen sind behandelbar. Betroffene erkennen sie leider selbst meist viel zu spät oder gar nicht, das kann bei einer Axt im Bein nicht passieren. Aber genau wie das gut ausheilen kann, kann eine Depression bei angemessener Behandlung wesentlich verbessert werden. Medikamente und vor allem Gesprächstherapie sind in den meisten Fällen der beste Ansatz. Was gibt es Besseres, als einem fremden hoch qualifizierten Menschen, der zu Verschwiegenheit verpflichtet ist, sein brennendes, gammelndes und vor Traumata stinkendes Seelenleben auf den Tisch zu kotzen? Und dafür wird dieser Mensch sogar noch bezahlt, ohne dass man selbst auch nur einen einzigen Cent ausgeben muss. Das Einzige, was es gilt abzuwerfen, sind Schamgefühl und Hemmungen. Als Belohnung wartet das Leben. Also worauf wartest du? Trau dich, wir sind viele und niemand ist allein!
© Sophie Jones 2022-08-31