von Bernd Schreiber
Die Berliner Grundschulen veranstalteten einen Schreibwettbewerb. Wie eine Challenge auf story.one, damals mit dem Oberthema „Deutsch-Französische Freundschaft“. Das konkrete Thema sollte noch vorgeschlagen werden. Ich erzählte zu Hause davon und in sowas war mein Vater gut: „Die Berliner und ihre Caravelle“, schlug er vor. Die Caravelle war ein Flugzeug der Air France, das täglich Berlin anflog. Mit dem Thema konnte ich was anfangen, denn wir wohnten nahe dem Flughafen Tegel im 4. Stock. Die Caravelle flog gefühlt immer durch unser Wohnzimmer, um dahinter direkt zur Landung anzusetzen. In den Sekunden, die die Maschine wirklich über unser Dach sauste, hätten der Pilot und ich uns zuwinken können.
„Unser“ Vorschlag wurde genommen, aber dafür gab’s keinen Preis. Der 1. Preis des Wettbewerbs selbst war eine Reise nach Paris, die wollte ich, also strengte ich mich an. Ohne Fleiß keinen Preis. Und gewann. Den 3. Platz. Ich freute mich zwar, auf dem Treppchen zu stehen, war aber auch ein bisschen enttäuscht. Ich hatte schon auf Platz 1 gehofft und dachte, so wie das mit dem Themensieg würde das auch mit dem Aufsatz klappen. Na egal, der Bronzepreis wäre bestimmt auch okay.
Die Gewinnerkür fand würdevoll im Cinema Paris, einem schmucken Kino am Kurfürstendamm statt. Meine Eltern hin mit mir. Ich war gespannt. Nach der feierlichen Verkündung des Siegers mit seinem Caravelleflug (Mist) kam der 2. Sieger dran und durfte sich vorne eine Uhr als Preis abholen. Auch okay, dachte ich, sowas Ähnliches wird’s ja bei Dir auch sein.
Dann mein großer Augenblick: Ich wurde aufgerufen, ging wie in Trance auf die Bühne, bekam einen Handschlag und den Preis des 3. Sieger: ein Füllfederhalter und zwei Bücher. Ich ging fassungslos und genauso in Trance zurück. Für mich als Schüler ein Füller? Ich hatte einen und sogar einen mit Tintenpatronen, während man den hier altmodisch klecksig kleckernd mit Tinte aus einem Fass auffüllen musste. Dass die den nach einem französischen Berg ‚Montblanc‘ benannt hatten, war mir schnurzegal. Und obendrein diese beiden Bücher, ich konnt‘s nicht fassen: Kunstbücher über berühmte Bauwerke und Gemälde in Frankreich. Und damit nicht genug: in Französisch.
Zu Hause verschwand der Füller sofort im unendlichen Krimskrams-Nirvana meiner Schreibtischschublade und die Bücher am äußeren Ende des Bücherregals weit hinter meiner Karl May Standardliteratur. Obwohl, später erwiesen mir beide Bücher noch gute Dienste. Ich zerfledderte sie bis zur Unlesbarkeit, indem ich die Bilder darin als Beispiele für verschiedene Kunst- und Bauepochen rausschnitt und in meinen Kunsthefter klebte, den wir führen mussten.
Abgesehen von dem Füller, aber einem 12-jährigen Kind zwei Kunstbücher in Französisch als Anerkennung und Preis zu verleihen, empfand ich als deprimierend. Deshalb hatte ich lange Zeit keine Lust mehr zu schreiben. Bis ich auf story.one traf. Jetzt bin ich bei Euch! Und alles ist gut! Schnäuz!
© Bernd Schreiber 2022-01-22