von Anydel
Heute war der mit Abstand beste Tag seines Lebens. Endlich hatte er seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und würde nun offiziell als Ingenieur an der Akademie arbeiten können. Er konnte es kaum erwarten, seinem Freund davon zu erzählen. Er war ebenfalls in der Akademie angestellt, und er hoffte, vielleicht mit ihm an einem Projekt arbeiten zu können. Darüber konnte er aber noch später denken. Heute würde er erst sein Arbeitsraum kurz aufräumen und dann feiern. Voller Freude öffnete er die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Doch schon beim ersten Blick in sein neues Reich fror das Lächeln in seinem Gesicht ein. Vor seinem Schreibtisch stand eine Person, die er nur zu genau kannte. Ihre Anwesenheit bedeutete nichts Gutes für seine Pläne heute Abend.
Er dachte, dass die direkte Nachfrage an effektivsten wäre. „Lehrmeisterin Tabea. Was verschafft mir die Ehre eurer Anwesenheit? Ic-„, setzte er an. „Gut, dass du da bist, Frank. Es gibt einiges zu bereden“, fiel ihm Tabea direkt ins Wort, und deutete auf eine Halskette, die sie auf den Tisch platziert hatte. „Dieses Amulett ist äußerst nützlich, es wird dich direkt in mein Hauptlabor transportieren. Ich habe eine Aufgabe für dich“, sagte sie ihm in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Lehrmeisterin, heute ist mein erster Tag, ich wollte meinen Abschluss noch feiern, bevor…“, widersprach Frank, der eigentlich nur noch gehen und zumindest für einen Tag die Akademie hinter sich lassen wollte. „Feiern kannst du später. Wir sind kurz vor einem Durchbruch, eine Maschine zu bauen, mit der das Schreiben revolutioniert wird! Du hast deinen Abschluss, also kannst du jetzt mitmachen. Wir brauchen jetzt so viele Tests wie möglich. Zeit ist kostbar!“, fuhr sie ihm direkt wieder dazwischen. Frank realisierte, dass es nur wenig Sinn ergab, weiter mit seiner Lehrmeisterin zu streiten. Sie war brillant, aber leider auch sehr stur. Seitdem sie an ihrer „Schreibmaschine“ arbeitete, war sie nicht mehr zu bremsen. Und jetzt durfte er ein richtiger Teil ihres Teams werden.
Eigentlich sollte es ihn freuen, direkt in ein wichtiges Projekt eingebunden zu werden. Er wünschte sich nur, dass er etwas Zeit für sich gehabt hätte. Und vielleicht auch kurz darüber hätte nachdenken können, was er tun wollte. Tabea griff an ihr Amulett. „Wenn das geklärt ist, wir sehen uns in fünf Minuten im Labor“, sagte sie, drückte es mit ihrer rechten Hand und verschwand.
Seufzend legte er das Amulett an. Dabei war der Tag doch bisher so positiv verlaufen. Er würde sein Date heute Abend absagen müssen. Er setzte sich an seinen Tisch und schrieb eine kurze Entschuldigung für Sebastian, die er dann auf den Tisch legte. Er hoffte, dass er Verständnis haben würde.
Zwanzig Minuten später betrat ein junger Mann das Zimmer. Er sah sich um und las den Brief auf dem Tisch, der an ihn adressiert war. Sein fragender Gesichtsausdruck wandelte sich in eine Mischung aus Erleichterung und Resignation. Er griff an seine Halskette, die der Kette Franks ähnelte, aber eine andere Farbe besaß, und transportierte sich in das Magielabor der Akademie. Wenigstens musste er nicht derjenige sein, der das Date absagt.
© Anydel 2024-03-01