Der alte Mann, die Donau und ich

LillyRuth

von LillyRuth

Story
Oberösterreich, St. Nikola


Als ich den Zündschlüssel umdrehe, wird mir warm ums Herz. Es war dies eine besondere Begegnung gewesen. Ein schönes Gespräch, das mir das Leben geschenkt hatte und an das ich mich auch nach Jahrzehnten noch erinnern würde. Dessen war ich mir sicher. Zuvor hatte er mir noch einen Apfel, den er penibel gewaschen und zum Trocknen in Küchenrolle gewickelt hatte, sowie drei Stück des von ihm vorbereiteten Briochestritzels, den er mir zum Kaffee angeboten, welchen ich aber unberührt gelassen hatte, mitgegeben. „Sie haben ja noch eine längere Rückfahrt vor sich. Da werden Sie sicher Hunger bekommen und dann haben Sie gleich eine Jause auf dem Beifahrersitz griffbereit“, hatte er gesagt. Diese Art der Fürsorglichkeit, die ich bisher nur von Frauen kannte, berührte mich zutiefst. Wie so vieles – ja eigentlich alles, was mit diesem Mann, von dem so viel Herzenswärme ausging, zu tun hat.

Bereits zweimal schrieb ich schon auf dieser Plattform über ihn. „Zufällig“ hatten wir uns vor einigen Jahren an der Donau in St. Nikola kennengelernt. Er hatte mich spontan zu einer Zillenfahrt auf dem großen Strom eingeladen. Ich sagte zu und die gemeinsame Fahrt wurde zu einem unvergesslichen, meine Seele noch lange nährendem Erlebnis.

Zwei Jahre später traf ich ihn „zufällig“ erneut. Wieder unterhielten wir uns wie zwei seit langem Vertraute und dennoch schien es mir unpassend, ihn nach seinem Namen zu fragen.

Und nun wollte es das Schicksal, dass sich unsere Wege erneut kreuzten. Ein Schreibprojekt, in dessen Mittelpunkt die Donau stehen soll, war der Anlass, dass ich mich auf die Suche nach ihm machte. Schnell war Name und Adresse ausfindig gemacht. Als ich vor seiner Tür stand, hatte er mich schon erwartet.

Die Donau. Eine große Freundschaft, ja sogar Liebe verbindet ihn mit ihr. Fast 20 Jahre lang fuhr er bis vor einiger Zeit täglich mit der Zille auf dem mächtigen Strom. Zur Stärkung von Körper, Geist und Seele, wie er sagt. Stundenlang könnte ich ihm zuhören. „Sie sind ein ganz besonderer Mensch. Ich hoffe, Sie wissen das“, sagte ich ihm. „Ah geh. Sie schmeicheln mir. Ich rede nur gerne und viel“, gab er mir verlegen zur Antwort.

Zum Abschied ließ er mich ein Bild betrachten, das ihn mit seinem Gefährt auf dem großen Fluss zeigt. Ja, auch sie – die Donau – hat ihn liebgewonnen, den alten Mann, der sie täglich aufsuchte und sich von ihr sanft tragen ließ. Das sieht jeder, der das Bild nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen betrachtet. „Wir bleiben ab jetzt in Verbindung“, sagte ich, als ihm die Hand reichte. „Ja, das wäre schön“, erwiderte er. In Verbindung. Waren wir das nicht schon länger? Dass wir uns immer wieder trafen, muss mehr als ein Zufall gewesen sein. Auf der Heimfahrt muss ich noch lange an ihn denken – an den alten Mann mit dem großen Herzen. Die Donau hatte uns immer wieder zusammengeführt. Manchmal dürfen wir einfach nur vertrauen und uns tragen lassen. Das weiß ich jetzt.

© LillyRuth 2023-11-20

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