Der alte Mann und der See

Lorenz Graf

von Lorenz Graf

Story
ein Ort im Pongau 2022

Die Story ist für schwache Nerven nicht geeignet!

Es war einmal ein Jäger, der hatte einen Hund, nein, er hatte drei Hunde. Der Mann wohnte in unserer nahen Nachbarschaft. Ich kannte ihn gut. Er war trotz seines hohen Alters von über 80 Jahren noch sehr rüstig und ging noch immer täglich in sein Revier. Er stieg dabei, ich bewunderte ihn stets dafür, einen steilen Hügel hinauf gestützt auf seinen langen Haselnuss-Stock und begleitet von seinem Hund, einem herzigen aber frechen kleinen Dackel. Eines Tages verstarb der Hund an Altersschwäche. Tagelang saß der alte Mann traurig auf einer Holzbank vor seinem Haus. Ich sah ihn auch nicht mehr täglich den steilen Hügel emporsteigen. Ein Jäger ohne seinen geliebten Hund muss etwas Schlimmes sein. Das Leiden des alten Mannes tat mir weh. Umso erleichtert war ich, als mir seine Tochter sagte, dass sie dem Vater doch wieder einen Hund beschaffen wird. Bald schon stapfte der alte Jäger mit Stock und Hund wieder den Hügel hinauf. Freudig wedelnd lief das Hündchen vor ihm her und dann wieder zurück zu ihm. Die Jägerwelt schien wieder in Ordnung zu sein, bis…..bis mir eines Tages die Tochter erzählte, dass ihr Vater auf der Pirsch war und da war der Hund auf einmal verschwunden. Alles Rufen und Suchen brachte keinen Erfolg, der Hund war nicht auffindbar. Viele Tage wurde nach ihm gesucht und die Hoffnung genährt, dass das Tier wieder kommen werde. Doch alles war vergebens. Wieder saß der alte Jäger traurig auf seiner Holzbank. Ins Revier ging er nicht, er saß nur stumm da. Uns tat der Mann sehr leid und wir diskutierten mit der Tochter über einen neuen Hund. Ist es zu verantworten dem Mann wegen seines Alters einen Hund zu schenken? Das Tier wird eine Beziehung aufbauen und was geschieht dann, wenn der Mann stirbt? Die Lösung war, dass sich die Tochter auch sehr mit dem Hund beschäftigen wird, sodass im Todesfall der Hund nicht ganz allein traurig zurückbleiben oder gar in ein Tierheim kommen muss. Der alte Jäger bekam wieder einen süßen kleinen Dackel und beide wurden sofort dicke Freunde. Ich konnte sehen, wie die Lebensfreude in dem alten Mann zurückkehrte. Viele Stunden ging er glücklich mit seinem Hund spazieren, nahm ihn mit ins Gasthaus und ins Revier. Erstaunlich wie schnell die beiden zusammenfanden und sich gegenseitig Freude bereiteten. Auch unser kleiner Harlekinpudel fand in dem Dackel einen energiegeladenen Spielgefährten und sie konnten sehr lange im Schnee herumtollen. Sie sprangen in die weiße Pracht, jagten sich wechselnd gegenseitig und rollten sich genüsslich in den weißen Flocken. Eines Tages war der alte Jäger auswärts eingeladen. Es war Winter und er ging auch dort mit seinem Hund spazieren. Er ging entlang eines Sees und folgte dann einem Steg, der weit in den See hinaus führte. Das Wasser lag unter einer festen Eisdecke.

Aus nicht mehr rekonstruierbarem Anlass sprang der Hund auf das Eis und brach ein. Er geriet unter die Eisdecke. Verzweifelt versuchte das Tier die Eisdecke zu durchbrechen und aufzutauchen, was aber unmöglich war. Der alte Mann musste hilflos zusehen wie sein Hund unter dem Eis verzweifelt kämpfte und dann in den Tiefen verschwand. Er wurde nie mehr gefunden. Der alte Jäger saß noch gelegentlich auf der Holzbank. Ich sah ihn immer seltener.

© Lorenz Graf 2024-08-18

Genres
Biografien
Stimmung
Traurig