von Katja Koltsch
Eine Dauerkranke und ein Kandidat für „ich melde mich mindestens einmal im Monat krank“ – hat sich krank gemeldet. Das ist meine erste Arbeits-Erkenntnis nach einigen Schlückchen Kaffee aus meiner Tasse, die Katzenohren oben am Rand hat. Es ist Montag und aus arbeitsrechtlichen Gründen darf ich keinen Wodka in meinen Kaffee füllen.
„Toll, jetzt bleibt alles an uns hängen. Dabei kommst du schon jetzt nicht mit deiner Arbeit hinterher.“
Als ob wir beide die Arbeit hier auch zusammen erledigen würden, denke ich mir zynisch. Vielleicht sollte ich mich ab morgen auch einfach krankmelden. Der Kollege kommt super damit durch und arbeitet unterm Strich weniger, zur gleichen Bezahlung, überlege ich. Das fühlt sich unfair an.
„Spinnst du! Wir sind abhängig von der Anerkennung in der Arbeit. So sichern wir uns wenigstens einen Platz in einer sozialen Gruppe, weil du darüber hinaus nicht mehr soooo viel vorweisen kannst.“
Das tat weh, du kleine Pissnelke. Miesegust atmet in eine Plastiktüte. Ich verspreche mich nicht krankzumelden, aber dafür morgen Wodka in die Arbeit zu schmuggeln, um das Theater erträglicher zu gestalten. Miesegust schaut mich böse an und steht kurz vor einer Panikattacke. Ich sage, >>es war nur Spaß<<. Miesegust fand ihn nicht lustig. Ich arbeite das Tagesgeschäft ab und übersehe, dass Miesegust ruhig ist. Zu ruhig. Mist denke ich mir, als mir mit Schrecken bewusst wird, dass er womöglich eingeschnappt ist. Ich realisiere, was das für mich bedeutet und gleich folgen wird. Oh-o, es geht los. Ich bekomme Kopfschmerzen.
„Glaube ja nicht, dass du jetzt heim gehen kannst. Das ist deine eigene Schuld.“
Ich werfe mir eine Schmerztablette ein und weiter geht es. Miesegust sitzt selbstverliebt, grinsend auf der Schulter und wirkt kurzzeitig zufrieden mit meiner Entscheidung. Danach hat er es sich zur Aufgabe gemacht, mich den gesamten Tag anzutreiben und erinnert mich dabei an eine Klassenlehrerin aus meiner Schulzeit. Ich stelle mir Miesegust mit einer Dauerwelle vor. Das finde ich witzig und schmunzel vor mich hin.
„Wann willst du erwachsen werden?“
Mit einem inneren Kritiker zu leben, ist wie den Kopf mit einem aufdringlichen Fremden zu teilen, der ungefragt an allem herumnörgelt und vorschreibt was wie getan werden muss oder wie und wer man zu sein hat – schwebe ich kurz philosophisch mit meinen Gedanken ab und ignoriere die unnötige Frage.
„Einen Menschen 24/7 vor sich selbst schützen zu müssen, dass er zum Beispiel seinen Job nicht verliert, ist wie einem betrunkenen Freund zu sagen, dass er aufhören soll, dumme Sachen zu machen.“
>>Freund?<<
© Katja Koltsch 2023-08-07