von Oliver Fahn
Gib auf! Als ernstgenommen werden wollender Literat bin ich eine Karikatur meines Daseins, ein Schatten meiner Authentizität. Will ich mir innewohnen, muss ich meinen Wildtrieb gewähren lassen. Kein Anschluss unter der Nummer des Händlers, bei dem ich Redlichkeit bestellen wollte. Verborgen in tiefsten Schichten schlummert wohl ein Molekül an Seriosität. Eine gefühlte Armlänge Abstand zu solchen Attributen brauche ich als Komfortzone. Möge mein Schonraum wie Kulturfeindlichkeit anmuten, mich amüsiert Bestürzung in den Augen der literarischen Elite.
Um im Laufe meines Schreiberlebens angesammelte Gebrechlichkeiten zu kompensieren, muss ich Entsetzen mit Stilbrüchen herbeiführen. Von Mutwilligkeit angestachelt, fabriziere ich die Nacht hindurch literarische Unverträglichkeiten . Ich schreibe und leide, leide und schreibe. Schrieb ich zuerst, litt ich zuvor? Schreibe ich, weil ich leide oder leiden andere, weil ich schreibe? Heute gleißen nächtliche Abgründe! Anschläge auf Schreibgesetze sind Verstümmelungen, mit denen ich auftrumpfen kann. Nach allen Regeln der Regelwidrigkeit will ich den Anhängern von Grammatik und den Loyalen einer allgemein anerkannten Satzbauästhetik meine Abtrünnigkeit präsentieren. Das Diktat der Rebellion fährt wie ein alle Gesetzmäßigkeiten vernichtender Blitz durch meine Glieder. Verbündete des textlichen Harmoniebedürfnisses, habt Nachsicht mit meinen Ungenauigkeiten!
Da mich die Einhaltung eurer Gesetze überanstrengt, muss ich mich mit Auflehnung adeln. Möglicherweise sind es seelische Frakturen, die ich an euch weiterschicke wie eine erst durch Weitergabe entlastende Flüsterpost. Fleißbildchen für zivilisierte Ausdrucksweise, die man mir hinhält wie Hunden Knochen, will ich in Becken ertränken, die ursprünglich dafür vorgesehen waren, mich mit gebürstetem Satzbau aus der Taufe zu heben.Kaum wach, belebt sich mein Widersetzungswille. Ich erlöse mich von grammatikalischem Monotheismus mit mir herausgewürgten Glaubensbekenntnissen. Ich will keiner Sekte beitreten, die die hunderttausend Gebote des Duden anbetet, Verbote vorbetet und mir verbietet, mich an Regelbrüche zu veräußern.
Falls das Leben mich wiedergebären will, dann bitte eine Geburt im Land syntaktischer Absolution. Ein schlechter Schwimmer verprügelt Wasser und ich vermöble Sprache, indem ich sie ihrem Regelwerk entstelle. Ich füge mich der Unverbesserlichkeit, die ich mir wie eine chronische Krankheit attestiere. Eine nicht ohne Stolz vor mir hergeschobene Quittung, die dem Beleg der Spende für eine fünfstellige Summe entspricht. Ich berufe mich auf meine Renitenz, die mich mit der Freiheit ausstattet, ein Publikum mit Wortarrangements zu überfrachten. Bin ich ein Selbstbeschau betreibender Schreiberling mit fiktiver Bühnenpräsenz, der koboldgleich aus dem Forum verduftet, ehe ihn Kanonaden von Kritik aus seinen Annehmlichkeiten herauskitzeln?
© Oliver Fahn 2022-04-27