von Jamal Tuschick
Ich heiĂe nach meinem Vater Hannes. Hannes Kesselmann. Ich bin Hessischer FilmpreistrĂ€ger. Erfinder und Autor der Serie âDer Bembel des Todesâ. – In der Hauptrolle Valerie Constanze Kesselmann als ermittelnde Pathologin Emma Marie Stern. Es bleibt alles in der Familie, mein Cousin spielt auch mit, obwohl er die Kurve ins bĂŒrgerliche Lager nicht gekriegt hat. Er hat auch nur eine kleine Rolle, die zu seinem Radius passt. Valerie und Babu treten auch im GernegroĂ auf, in komödiantischen Auffassungen des âTodesbembelsâ, die Edgar Wallace-Verfilmungen schwarzweiĂ nachempfunden sind. So unsagbar grottig und erfolgreich. NasenschweiĂ sonnt sich im Glanz âder Frankfurter Geschwisterâ. Sein Haus ist als âheimliches Volkstheaterâ ein SelbstlĂ€ufer. Ein Verein geschmeidiger Speichellecker und gestopfter Versager hĂ€lt sich gern im GernegroĂ auf. Gestopft ist ein Frankfurter Wort fĂŒr wohlhabend. Die Schleimbeutel kastrieren ihre Kater, indem sie unentwegt weiter trinken. Es scheint nichts anderes mehr zu geben, sogar die blonde Mexikanerin hĂ€lt inzwischen im GernegroĂ Hof. Sie schwĂ€ngert das Milieu mit tragischen Andeutungen. TatsĂ€chlich hĂ€uften sich zuletzt Pannen, es kam zu Verletzungen und Wahnsinn wie nie zuvor. Valerie stĂŒrzte von der BĂŒhne und fiel wochenlang aus. Personalchef Mogli knallte durch und ging auf den König (so wird der dynastische BurgschĂ€nke-Wirt Kurt Wundersamen genannt) los, angeblich war der König einer Subalternen gegenĂŒber gemein geworden. Doch war die Gemeinheit der Bedienung entgangen, jedenfalls behauptete sie das unergrĂŒndlich. Klar, der König treibt seine Scherze, das kennt man. Er geht gern zu weit und striezt gern und richtet gern hin oder zumindest ab. Er stichelt so lange, bis NasenschweiĂ sekundierend in die unterste Schublade greift und das herrschaftliche Gebaren allgemein nicht mehr von Bösartigkeit zu unterscheiden ist. So ist es immer schon gewesen.
Heidemarie hat mal wieder vor zwanzig Zahlenden alles gegeben und dabei eine Begeisterungskulisse wie bei einem zehnmal gröĂeren Auditorium geschaffen. Wie stets, wenn sie die BĂŒhne des GernegroĂ bespielt, ist das Personal geschlossen zur Stelle. Tanja schenkt nach, wir streifen uns in den freundschaftlichen Akten der Bewirtung. Unser Lebenswandel nimmt uns fĂŒreinander ein. Ich freue mich jedes Mal auf die gemeinsame Dienstagsschicht. Inzwischen teilen wir uns sogar die Vorfreude telefonisch mit. Es ist so perfekt mit Tanja.
Ich habe den Job nicht nötig. Doch seit meiner letzten Trennung fĂ€llt mir daheim die Decke auf den Kopf. Deshalb habe ich zwei Schichten am GernegroĂ-Tresen ĂŒbernommen.
Babu spannt Heidemarie vor den Karren seines Jammertals: âDu könntest aus einem Telefonbuch singen und mir kĂ€men immer noch die TrĂ€nen.â
âDas hat Boris Vian ĂŒber Ădith Piaf gesagtâ, weiĂ Tanja.
âBoris wer?â, fragt Britta. Sofort geht das los: âEs gibt nur einen Boris und der heiĂt Rudi Völler.â
© Jamal Tuschick 2024-11-17