von Ulrike Sammer
Heute war der Tag des großen Höhepunktes, wie unsere selbst ernannte spirituelle Leiterin Monika, im Gegensatz zu den meisten Teilnehmern, fand: der berühmte Orakeltempel des Amun! Die Orakelpriester sprachen hier 331 v. Chr. Alexander den Großen die Gottessohnschaft zu – eine wichtige Voraussetzung, um ägyptischer König werden zu können. Alexander der Große reiste mit seinem Gefolge durch die Wüste nach Siwa. Er wollte das Orakel sowohl über die Zukunft als auch über die eigene Herkunft befragen. In Siwa angekommen musste Alexanders Gefolge entsprechend dem Ablauf eines Königsorakels außerhalb des auf dem Hügel gelegenen Tempels warten und Alexander betrat allein das Allerheiligste, wo er vor dem Kultbild seine Fragen stellte. Alexander fragte, ob sein Vater Amun ihm die Herrschaft über die Welt genehmigt. Der Priester rief, dass Amun ihm den Wunsch mit absoluter Gewissheit gewährt. Als Alexander aus dem Tempel kam, sagte er zu seinen Begleitern, er habe gehört, was er habe hören wollen. Die Anerkennung Alexanders als Sohn Amuns durch das Orakel verschaffte die Legitimation seiner Herrschaft über Ägypten. Dieser Haupttempel, der dem Gott Amun geweiht wurde und die Sprüche des Orakels von Siwa waren daraufhin weit über die Grenzen des Reichs der Pharaonen bekannt.
Der Amuntempel war aber tatsächlich ein Ort von ganz besonderer Energie. Das habe ich mit meinem vertrauten Pendel nachgeprüft. Wer aber keinen persönlichen Zugang zu den Erdstrahlen hat, für den ist dieser Ort zwar historisch überaus interessant, aber sonst ein halb zerfallenes lehmfarbenes Gemäuer, wie wir es nun schon einige Male gesehen haben. Ich konnte daher die Reserviertheit der anderen durchaus nachvollziehen. Monika hatte sich zur Feier des Tages besonders schön angezogen. Sie war ja Medium und stand im Orakelraum einzeln all jenen zur Verfügung, die eine Frage gechannelt haben wollten. Da ich so etwas noch nie erlebt hatte, wollte ich es gerne einmal ausprobieren. Zu meiner Verwunderung gab Monika erstaunlich konkrete Antworten auf meine Fragen.
Nach einer kleinen Pause fuhren wir mit unserem Bus an den Rand der Sandwüste und suchten uns zu Fuß ein schönes Plätzchen in den Dünen für ein Feuer, das Mohammed und sein Neffe Abdul in einer Grube mit trockenen Dattelpalmenblättern anfachten. Wir setzten uns rundherum. Die Stimmung war zuerst nicht besonders, da ziemliche Spannungen in der Gruppe schwelten. Alle waren gedämpft und sprachen nichts. Als wir aber begannen unter dem Sternenhimmel um das Feuer zu tanzen, wurde es besser.
Wir fuhren zurück zum Hotel, wo das Silvesterfest bereits in vollem Gang war. Es gab zwar ein tolles, opulentes Gala-Dinner mit essbaren Tierskupturen, aber sonst war es unangenehm laut und trubelig. Da niemand Lust hatte bei Eiseskälte draußen zu arabischer Musik zu tanzen, prosteten wir einander bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht zu und lösten die Gruppe auf.
© Ulrike Sammer 2021-05-11