von Daniel Fischer
Keine 5 Gehminuten von meiner Haustüre entfernt befindet sich ein kleiner Wald, der sich ausgezeichnet für Spaziergänge eignet. Seit mehreren Monaten schon gehe ich mehrmals die Woche spazieren und dabei ist mir etwas Sonderbares aufgefallen. Ich habe den Eindruck, dass sich immer mehr Menschen einen Hund zulegen. Vor rund einem Jahr begegnete ich auf meiner gewöhnlichen Runde – ich spaziere immer dieselbe Route – in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Hunden. Seit einiger Zeit jedoch, sind es bei jeder Runde zumindest zehn bis fünfzehn Hunde, und es scheinen mit jedem Spaziergang mehr zu werden.
Nun, dass es mehr Hundebesitzerinnen und –besitzer gibt, ist nicht wirklich sonderbar. Schließlich hatte auch ich selbst in letzter Zeit einmal über die Anschaffung eines Hundes nachgedacht, mich dann aber schlussendlich doch dagegen entschieden. Allerdings staunte ich vor ein paar Tagen nicht schlecht, als mir ein älterer Herr mit einem Bernhardiner entgegenkam. Im ersten Moment verlief die Begegnung relativ unspektakulär, doch dann fiel mir etwas auf, das ich für bemerkenswert hielt. Nicht der Hund trug ein Halsband, sondern der ältere Herr, während der Hund das Ende der Leine in seinem Maul hielt. Auch war es so, dass der ältere Herr vor dem Bernhardiner herging, wie es für gewöhnlich die Hunde vor ihren Besitzerinnen und Besitzern zu tun pflegen. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und nahm an, dass es sich wohl um eine Art Kunstprojekt oder besondere Erziehungsmethode handelt.
Ich dachte jedenfalls nicht mehr darüber nach, bis mir einige Tage später ein junges Paar begegnete, beide trugen Halsbänder und wurden von einem Dalmatiner ausgeführt. Jetzt war ich doch etwas verwirrt und wollte herausfinden, was es damit auf sich hatte. Ich sprach die beiden also an, doch sie reagierten auf meine Fragen nicht, ignorierten mich gar. Auch der Dalmatiner würdigte mich keines Blickes, alle drei gingen sie an mir vorbei, als wäre ich Luft. Und noch auf demselben Spaziergang begegnete mir eine weitere Dame, die von einer kleinen Bulldogge ausgeführt wurde! Kaum war ich zu Hause angekommen, wollte ich meinen besten Freund anrufen und ihm davon berichten. Doch die Angst, dass er mich für verrückt erklären würde, hielt mich davon ab. Seit diesem Tag begegnen mir täglich Menschen, die von ihren Hunden ausgeführt werden. So sehr ich auch Ausschau halte nach einem Menschen, der einen Hund ausführt – ich begegne keinem mehr! Und ich scheine Luft zu sein für sie alle, selbst für jene, mit denen ich mich früher öfter unterhalten hatte, wenn wir uns beim Spazieren begegneten.
Nach mehreren Tagen des intensiven Überlegens scheint es für mich nur eine Möglichkeit zu geben, dieses Rätsel zu lösen. Ich habe daher beschlossen, mir gleich morgen ebenfalls einen Hund zuzulegen.
© Daniel Fischer 2021-08-14