Der Beutel am anderen Ende

Joachim Hennings

von Joachim Hennings

Story

Ich sitze im Park auf einer Bank. Leicht verschnörkeltes Graffiti ziert sie auf ihrer linken Seite, achtlos liegt Papier und Plastik um mich herum. Ich sehe auf einen künstlich geformten Wasserlauf. Eine Ente läuft mit ihrem Küken wirr auf und ab. Warum hat sie nur ein Kind, frage ich mich, ich sehe normalerweise eine Schar kleiner Federknäuel einer Entenmama folgen.

Ich bin geistig weggetreten und fühle mich verbunden mit dem Bild der ziellos herumlaufenden Enten.

Meine Gedanken sind bei meiner Liebe in der Ferne.

Wir telefonierten vor kurzem, ihr Portemonnaie ist auf dem Weg vom Einkauf zum Auto verschwunden. Sämtliche Orte und gegangene Wege haben den Geldbeutel nicht mehr zum Vorschein gebracht. Ihre Verzweiflung, Ohnmacht und ihre Panik gehen mir nach und schmerzen mich. Ich sitze hier 450 km entfernt und kann nichts tun.

Intensive Wünsche durchstreifen den Äther, wahrscheinlich geklaut, durchstößt es meine Gedanken, und Wut über die Menschen überkommt mich.

Ich sitze und schaue geistesabwesend den Enten zu, tollpatschig schüttelt die Mama Wasser von ihrem  Gefieder. Meine Liebste, weit entfernt, schlägt sich mit Behörden und Banken herum; alle wichtigen Papiere sind weg.

Ich schicke ihr meine Liebe und mein Herz, das ist das einzige, was ich zu tun vermag. Meine große Liebe ist zu weit entfernt, um ihr beizustehen und doch so nah in meinem Herzen, dass ich meine, sie Körper an Körper fühlen zu können.

Ja, die Liebe ist die größte Macht. Wer weiß, vielleicht öffnet diese Liebe auch andere Augen und bringt meiner geliebten Seelenpartnerin ihren Verlust zurück.

© Joachim Hennings 2019-06-30