Der Carmel Wein – I

Latif HĂĄvrest

von Latif HĂĄvrest

Story

Man sagt Tel Aviv ist der profane Teil Israels und Jerusalem der mystische Teil. Die wortwörtliche Übersetzung des Wortes „Tel Aviv“ ist „FrĂŒhlingshĂŒgel“. Nachdem ich mich ein Jahr zuvor einige Zeit in Jerusalem aufhielt und mich in die Stadt verliebt habe, zog mich die Sehnsucht nach Israel wieder dorthin an. Ich wollte diesmal in die profane Welt Israels, nach Tel Aviv. Ich buchte ĂŒber AIRBNB ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft mitten in der Stadt. Im Flughafen Ben Gurion angekommen mussten die Passagiere die Grenzkontrolle durchlaufen. Hier wird kein Visum in den Reisepass abgestempelt, sondern man erhĂ€lt ein kleines Ticket, das man stĂ€ndig mit sich fĂŒhren soll. Nach der Grenzkontrolle steuerte ich zur GepĂ€ckförderband und wartete auf das Einlangen meines Koffers. Bald schnappte ich meinen Koffer und ging zum Ausgang. Ich hatte schon im Wien ĂŒber Internet ein Taxi reserviert, das mich vom Flughafen abholt und zu meiner Unterkunft bringt.

Unterwegs drehten sich meine Gedanken darum, wer wohl meine Mitbewohner in der Wohngemeinschaft sein werden. Die Wohnung befand sich in She’erit Yisra’el Str 5, eine Querstraße zum Jerusalem Boulevard. Der Taxifahrer ließ mich dort aussteigen. Ich lĂ€utete bei meinem Gastgeber an, ein junger Mann kam raus, der war scheinbar der EigentĂŒmer der Wohnung. Er stellte sich mit dem Namen Shai Sigel vor, ich habe schon in Wien mit ihm telefoniert. Er fĂŒhrte mich eine Treppe hinauf zum ersten Stock, sperrte die WohnungstĂŒr auf, zeigte mir mein Zimmer, die zentralgelegene gemeinsame KĂŒche, Bad und Toilette. Er klopfte bei den Zimmern der anderen Bewohner/innen, um mich ihnen vorzustellen. Es war spĂ€ter Nachmittag und die meisten von denen waren zu Hause. Die waren alle jung, ein MĂ€dchen und drei Burschen aus Deutschland, die in Tel Aviv studierten, ein Israeli aus Eilat, der ebenfalls hier studierte; dieser war allerdings ĂŒbers Wochenende zu seiner Familie gefahren. Ich habe mich gefreut, dass ich einige Mitbewohner/innen hatte, mit denen ich Deutsch reden konnte.

Es war eine gesellige, erfrischende Runde. Wir haben gemeinsam gekocht, abgewaschen und uns ĂŒber Gott und die Welt unterhalten. Einer der Deutschen hatte zufĂ€llig Besuch von seinem Vater aus Deutschland. Beide hatten eine Tour nach Haifa und in die Carmel Gebirge geplant und boten mir an, mitzufahren. Ich nahm das Angebot dankend an. Ben, so hieß der Student, mietete ein Mietwagen. Zu dritt traten wir die Reise an, Ben lenkte das Auto. Wir fuhren entlang der MittelmeerkĂŒste ĂŒber Netanja, Cesarea, Nachscholim, Haifa, weiter nach Akkon und Naharija. Über traumhaft geschwungene Straßen fuhren wir die Berglandschaft hinauf. Oben angekommen hielten wir an, gingen in ein Restaurant und aßen zu Mittag. Der kĂŒhle Duft der von Mittelmeer herĂŒber strömende Brise erfrischte den Körper und das GemĂŒt und schĂ€rfte den Sinn. Bens Vater und ich genehmigten uns je einen Viertel des leicht sĂŒĂŸen und fruchtigen Rotwein der Carmel Berge.

© Latif Håvrest 2020-09-05

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