Der Christbaumschmuck auf dem Dachboden

Christine Büttner

von Christine Büttner

Story
Umgebung Stainz 2024

Dann kam der zweite Sonntag im Advent und alle Schneeflocken versammelten sich um ihre Königin. Gerade wollte sich Romy verstecken, aber sie wurde festgehalten, bevor sie entkommen konnte. „Du wirst mit uns heute zur Erde tanzen, und wenn auch dein Name die Widerspenstige bedeutet, es gibt keine Ausnahme!“ Nach kurzem Zögern schloss sich Romy widerwillig dem Tanzreigen an. Manchmal half ihnen der Wind, damit die Schneeflöckchen sicher Meter für Meter dem Erdboden näherkamen. Schließlich wurde das eigensinnige Wesen tatsächlich von der Fröhlichkeit der anderen angesteckt. Es entwickelte sich zu einem kleinen Wirbelwind, freute sich plötzlich auf das Erdenabenteuer. Sanft landete die Schneeflocke auf einer Wiese. Heraneilende Kinder begrüßten alle weißen Flöckchen herzlich und jetzt wusste Romy, dass sie ihre Bestimmung im Leben endlich gefunden hatte!

  Es war draußen dunkel geworden, die Geschichte hatte ihren beiden Nachbarskindern sehr gut gefallen, denn sie hatten die ganze Zeit aufmerksam zugehört und Adele merkte, dass Hannes und Christel ergriffen waren. Nach dieser Adventstunde verabschiedeten sich die beiden von ihrer Nachbarin. Die alte Dame genehmigte sich noch ein Stück von der Gibanica und dann hatte sie plötzlich eine zündende Idee.

Sie kletterte über eine schmale Holzleiter auf den Dachboden ihres Hauses und nach einigem Suchen fand sie die große grau-weiße Schachtel mit dem Christbaumschmuck. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Tochter hatte sie im Advent und auch am Weihnachtsabend viele Jahre nur ein kleines Weihnachtsgesteck aus Reisig aufgestellt, das reichte für sie, aber heuer wollte sie wie in alten Zeiten einen Christbaum in ihrer gemütlichen Stube platzieren und wie damals schmücken. Sie erinnerte sich, wie ihre Familie mit leuchtenden Augen den Christbaum betrachtet hatte, aber auch Nachbarn kamen sie besuchen, um die große geschmückte Tanne zu bewundern. Jedes einzelne Stück des Christbaumschmucks erzählte seine eigene Geschichte.

Zuallererst holte sie die Tüte mit den weißen Schneeflocken aus der Schachtel, die ihre Tochter jedes Jahr im Advent gehäkelt hatte. Da gab es viele zu bewundern und so manche Träne kullerte auf Adeles Bluse, wenn sie an diese gemeinsame Weihnachtszeit dachte. Damals hatte sie für die Bedürftigen in der Stube Socken gestrickt und Christel viele Schneeflocken gehäkelt. Adele nahm einige dieser Kostbarkeiten heraus und betrachtete sie wehmütig. Dann kletterte sie mit der Schachtel wieder über die Leiter in ihre Wohnstube.

Jetzt legte sie ein paar gehäkelte Schneeflocken auf den Holztisch. Da gab es einige zu bewundern, denn Frieda hatte eine Gabe, diese Schneeflocken so zu häkeln, dass sie wunderschön aussahen. Diese glückliche Zeit würde niemals wiederkommen. Auch einige bunte Sterne waren dabei. Sie befestigte sie sorgfältig auf dem schlichten Adventskranz. Adele bemerkte, wie sich die Vorfreude auf das kommende Weihnachtsfest in ihrem Herzen breit machte. Auf ihrem sonst ernsten Gesicht sah man ein Lächeln.

© Christine Büttner 2024-10-24

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Hoffnungsvoll, Inspirierend, Reflektierend
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