Der Dämon in mir

Evelyne

von Evelyne

Story

Ich fühle den warmen Wind auf meiner Haut, meine Füße tragen mich am Ufer entlang.
Mein Blick ruht am Wasser, so tief, so blau, so wunderschön.
Die Stille bohrt sich durch mich, so allein bin ich hier, mit all den Gedanken, mit all den Lügen und Dämonen, die in mir leben.

Ich friere in der heißen Sommersonne, gehe unter in all den Stürmen, die in mir wüten.
Niemand kennt mich, kennt mich wirklich. Niemand sieht die Kämpfe, die ich kämpfe – jede Sekunde jeden Tages.
Mein falsches Lächeln, täuschend echt, meine sanften Augen, tröstend und warm – wem könnte man es verdenken, ich führe sie doch alle hinters Licht.

Nicht gut genug, nicht schön genug, nicht klug genug. Nicht genug. Niemals, alle Mühen sind umsonst, all die Schmerzen und Opfer, die ich bringe, sie sind nicht genug – sind nie genug. Ich möchte nicht mehr lügen und betrügen, vortäuschen es wäre alles echt. Das Lachen, das Scherzen, die Freude und der Lebenswille.

Es zerfrisst mich von innen der Selbsthass und die Unzufriedenheit. Ich ertrinke in mir selbst, gehe unter und verblasse. Mein Wahres ich? Das kenn ich nicht. Hab es seit Jahren nicht mehr gesehen. Es herrscht nur noch Angst und Dunkelheit in mir. Tief und dunkelblau, wie das Wasser, fließen sie tief in mich hinein, fressen sich durch jede Faser meines Körpers, vergiften jeden noch so hellen Gedanken, verschlingen alles Gute bis nichts mehr übrig ist, als eine leere Hülle, getrieben allein durch den Wunsch sich zu befreien.

Es ist der Dämon in mir, der mich besitzt, mich verschlingt. Und doch bin ich der Dämon in mir selbst. Ich will es nicht sein, möchte mich losreißen aus dieser Spirale, die endlos nach unten führt, immer tiefer, immer schneller. Ich finde keinen Weg mehr nach oben, komme nicht los von dieser Tiefe, dieser Kälte, die mich erfasst hat…

Alles wird schwarz und ruhig, als ich mich der Tiefe des Wassers hingebe. Ich weiß nicht, wann oder wie ich hierher geraten bin. Ich spüre nur noch das kalte Nass auf meiner Haut, während ich immer tiefer sinke, in diesem wunderschönen, blauen, tiefen Gewässer.

Noch einmal frei atmen. Noch einmal wahres Glück verspüren. Noch einmal mich selber spüren. Noch einmal irgendetwas fühlen, außer Kälte und Angst und Hass. Ich gebe noch nicht auf.

© Evelyne 2023-07-16

Genres
Anthologien
Stimmung
Dunkel