von Herzchen
„Mary… Mandy braucht dich… urgente… per favore…“ Il destino wird dich wieder zu mir zurückbringen… „mio più grande amore… meine größte Liebe….“ …danach war es dunkel geworden für uns. Il destino hatte ganze Arbeit geleistet. Brutale, harte, über Leichen gehende Arbeit. Mein Mandy war angeschossen worden… trotzdem lächelte er, als ich seine Hand nahm… „Wo ist Harry?“… fragte er zuerst… ich verstand die Frage nicht… Doch er fuhr fort: „Mary, mio amore… ER ist deine größte Liebe… geh zu ihm zurück…“.
Da verstand ich. Aber nur das. Alles andere nicht. Warum musste schon wieder einer meiner geliebten Männer gehen? „Wenn ich jetzt gehe“, so sagte Mandy noch… „werde ich dennoch über dich wachen… wohin du auch fahren willst… eines unserer Taxis wird immer für dich bereitstehen… du sollst keinen Unfall mehr erfahren… versprich mir aber, den richtigen Weg zu gehen… Mary, bitte…“. Seine Stimme versagte fast vor Schmerz und Kummer. „Ja“, versprach ich… auch wenn ich nicht genau wusste was er meinte… Harry etwa?
Kannte er Michael? „Ja“… stöhnte er, „ich kenne ihn…“ Erschrocken sah ich in diese wunderbaren Augen, die jetzt ganz dunkel wurden… Noch einmal erlangte er all seine rassige, verwegene Schönheit…„Das ist der falsche Weg, Mary…“. Wir küssten uns und für mehrere Minuten vergaß ich, dass er im Sterben lag… Ein Strahlen erfüllte seine Augen und seine Lippen…
„Eines Tages werden wir uns wieder sehen…“, waren seine letzten Worte.
Mandy starb noch am selben Tag in meinen Armen. Auf dem Schachbrett des Lebens hatte der Tod gewonnen. An diesem dunklen Tag vergaß ich sogar Michael. Ich ging an die Südspitze des Parks und sah zur Freiheitsstatue und nach Ellis Island hinüber. Dorthin, wo vor vielen hundert Jahren die Vorfahren von Mandy angekommen und eingewandert waren… dort, wo die Cosa Nostra in Amerika begann… und heute meinem Mandy das Leben gekostet hatte. Langsam verschwamm die Statue of Liberty vor meinen Augen und die Tränen schienen sich mit dem Wasser der Upper Bay zu vermischen…
Es war ein wunderschöner, sonniger Tag… der Schnee glitzerte auf der Wiese und ließ abertausende Kristalle entstehen… jedes einzelne war ein Stich in mein Herz. All‘ die Stunden mit Mandy zogen im Geist an mir vorbei, viele gelbe Taxis waren dabei… und viele Farben… all‘ jene, mit denen ich meine Wohnung ausgemalt und mein Leben bemalt hatte. Mandy war der Urheber von allem. Mandy war der Mann, der nur gegeben, nie verlangt, nie genommen hatte. Der damals gegangen war, als Harry wieder in mein Leben zurückkehrte.
Die silbernen Kristalle strahlten immer noch mit jenen in der Upper Bay um die Wette… in mir aber, in meinem Herzen wurden sie zu Nadeln, die unausweichlich dazu führten, dass es zu bluten begann und erst als der Schnee eine rote Farbe annahm und meine Nägel die Hände blutig gekratzt hatten, wurde mir klar, dass nicht nur Mandy gestorben war… auch in mir starb gerade ein Teil, jener, der mit gelb eingefärbt gewesen war.
© Herzchen 2019-04-11