Der Doppler

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Während meines Studiums war es gern gesehen, bei diversen Feiern einen Doppler mitzubringen. Es war dies eine 2-Liter-Weinflasche für diverse Weine und das Format hatte nur wenig mit der Qualität zu tun. Wer den Wein direkt vom Weinbauern bezog oder eine Weinhandlung in der Nähe hatte, besorgte sich den Wein damals meist als Doppler. Für eine Person waren zwei Liter freilich zu viel, aber in Gesellschaft wurde nicht nur unter Studenten normalerweise dem Wein fleißig zugesprochen.

Der Zeitgeschmack hat sich jedoch grundlegend geändert und heutzutage wird Wein in 1 Liter-Flaschen oder sog. Bouteillen zu 0,75 Liter konsumiert. Er ist aber deshalb nicht wirklich besser geworden. Bis zum Ende der Nuller-Jahre waren die Doppler jedoch noch weit verbreitet, doch bis auf die Schankweine in der Gastronomie sind sie nunmehr kaum mehr anzutreffen.

Im Jahr 1977 befand ich mich in der Zielgeraden meiner Dissertation. Wohl mehr als ein Jahr lang hatte ich an der Großrechenanalage von Uni und TU-Wien diverse Verfahren ausprobiert und teilweise sogar selbst entwickelt und nun musste ich alles zu Papier bringen. Ich wohnte bei meiner Freundin in Simmering und während sie untertags arbeitete, hatte ich genügend Zeit und Ruhe, um zu Schreiben. Ich ließ diese Tage mit einem zweiten Frühstück ruhig angehen. Am Morgen brachte ich also die Freundin zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 71 und am Rückweg kaufte ich mir ein Salzstangl in der „Dampfbäckerei Sperlbauer“, die Zeitung in der Tabak-Trafik und auf dem Heimweg durch die Schneidergasse kam ich beim Eckhaus zur Dopplergasse beim Musikantenstübel vorbei.

Diese Dopplergasse war natürlich nach dem Wiener Mathematiker und Physiker Christian Doppler benannt. Im Musikantenstübel jedoch war dem Lärm nach zu urteilen in der Regel schon vor 8:00 in der Früh eine fröhliche Gesellschaft beisammen. Ursache für diese außergewöhnliche Ansammlung früher lustiger Vögel war, dass sich der Wiener Zentral-Schlachthof St. Marx in der Nähe befand und die Gäste waren Marktfahrer bzw. Lieferanten und die hatten eben zu dieser Morgenstunde schon ihr gesamtes Tagwerk vollbracht. So hockte man zusammen um nach erledigter Arbeit gemeinsam den Tag zu beschießen.

Ich habe dieses Wirtshaus niemals besucht, jedoch hätte es mich schon gereizt, einmal hineinzugehen, um die Gäste zu fragen, ob jemand weiß, wer denn eigentlich dieser Doppler war, nach dem die Straße benannt ist. Ich bin mir sicher, dass mir niemand eine Antwort schuldig geblieben wäre. Ebenso sicher bin ich mir aber, dass keiner der Gäste richtig geantwortet hätte.

© Klaus Schedler 2019-12-05

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