Der Duft des Morgens

Fabiennne

von Fabiennne

Story

Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich vorsichtig durch die halb geöffneten Vorhänge, während der Morgen langsam die Nacht verdrängte. Ein sanfter Wind bewegte die Blätter der Bäume vor dem Fenster, und in der Ferne erklang das Zwitschern der Vögel, die den neuen Tag begrüßten. Lisa rieb sich verschlafen die Augen und streckte sich in ihrem gemütlichen Bett. Sie mochte diese Momente zwischen Schlaf und Wachsein, wenn die Welt noch ruhig war und der Tag voller Möglichkeiten vor ihr lag. Langsam stand sie auf, zog sich ihren weichen Morgenmantel über und ging barfuß in die Küche. Dort, auf der hölzernen Arbeitsplatte, stand ihre kleine silberne Kaffeemühle. Sie war alt, ein Erbstück ihrer Großmutter. Unzählige Male schon war das vertraute Knirschen erklungen, wenn sie die Bohnen mahlte. Daneben lag eine Tüte mit frisch gerösteten Kaffeebohnen aus ihrer Lieblingsrösterei. Lisa öffnete sie und atmete den warmen würzigen Duft ein – kräftig, mit einer leichten Schokoladennote.

Sie griff nach einer Handvoll Bohnen, ließ sie in die Mühle rieseln und begann, den Hebel zu drehen. Das rhythmische Geräusch des Mahlwerks erfüllte die Stille der Küche, und mit jeder Umdrehung wurde das Aroma intensiver. Sie liebte diesen Prozess – das langsame Mahlen, das Gefühl, mit ihren eigenen Händen etwas zu erschaffen, das ihren Morgen verzaubern würde. Als das Kaffeepulver endlich fein genug war, nahm Lisa ihre geliebte italienische Espressokanne aus dem Regal. Sie hatte sie vor Jahren in einer kleinen Gasse in Rom gekauft. Jedes Mal, wenn sie sie benutzte, fühlte sie sich für einen Moment in die engen Gassen der Stadt zurückversetzt, wo der Duft von frisch gebrühtem Espresso die Luft erfüllte.

Sorgfältig goss sie frisches Wasser in das untere Kännchen, setzte das Sieb ein und verteilte das frisch gemahlene Pulver darin. Sie strich es mit einem kleinen Löffel glatt, bevor sie den oberen Teil der Kanne aufschraubte. Dann stellte sie die Kanne auf den Herd und drehte die Flamme auf mittlere Hitze. Während sie wartete, lehnte sie sich an die Theke und lauschte den ersten leisen Geräuschen, die aus der Kanne drangen. Ein sanftes Zischen, dann ein leises Blubbern, als das Wasser aufstieg und durch das Kaffeepulver sickerte. Der Duft breitete sich langsam aus, erfüllte jeden Winkel der Küche und hüllte sie in eine warme, wohltuende Umarmung.

Schließlich war es so weit – der Kaffee war fertig. Lisa nahm die Kanne vom Herd, hob vorsichtig den Deckel an und lächelte zufrieden. Die dunkelbraune Flüssigkeit glänzte in der Morgensonne, und das Aroma war genau so, wie sie es mochte: kräftig, intensiv und voller Versprechen. Mit Bedacht goss sie den heißen Kaffee in ihre Lieblingstasse – eine schlichte, weiße Porzellantasse mit einer winzigen Macke am Rand, die sie nie ersetzen wollte. Sie nahm einen ersten vorsichtigen Schluck und ließ die Wärme durch ihren Körper strömen. Für einen Moment schloss sie die Augen und genoss einfach diesen perfekten Augenblick. Dann setzte sie sich mit ihrer Tasse an das Fenster, zog die Beine an und blickte hinaus auf die langsam erwachende Stadt. Die Straßen waren noch still, und das sanfte Morgenlicht tauchte alles in eine friedliche Atmosphäre. Ein neuer Tag begann – und wie jeder gute Tag begann er mit Kaffee.

© Fabiennne 2025-02-19

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Romane & Erzählungen
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