von Maria Büchler
So absurd es klingt: Manchmal verleiten mich Mücken zum Träumen. Nein, ganz bestimmt nicht die in der Nacht, die sich hinterhältig an meine ruhebedürftige Haut pirschen. Ich verstehe ja, dass die Weibchen unser Blut benötigen, damit sie sich vermehren können, nur um uns auch in Zukunft zu drangsalieren. Ein Teufelskreis par excellence. Diese Mücken mag ich gar nicht, zumal meine eigene Blutgruppe ihnen angeblich besonders gut schmeckt.
Nein, ich meine auch nicht die Mouches volantes im Glaskörper unserer Augen, die gar keine Mücken sind. Sie seien zwar harmlos, irritieren aber doch.
Wenn ich mich im Freien aufhalte, bin ich ein Hans-guck-in-die-Luft. Mich begeistert, was sich am Himmel zeigt, seien es Sterne, Wolken, Vögel, Flugzeuge oder ihre Kondensstreifen. Gestern sah ich ein besonders reizvolles Schauspiel: Im Licht der Abendsonne, vor dem dunklen Hintergrund der schattigen Bäume bewegten sich Tausende von Mücken.
Sie schwebten in einem sanften Miteinander, manchmal in einer Richtung, der sinkenden Sonne entgegen, dann durcheinander. Manche waren winzig wie Staubkörnchen, aber gut sichtbar. Andere glänzten und leuchteten wie Glühwürmchen. Jedenfalls so, wie ich mir die Glühwürmchen vorstelle, denn ich habe noch nie eines gesehen. Es war ein gemächlicher Tanz, ein Mit- und Nebeneinander, ruhig und schön. Ich erwartete, dass Schwalben und andere Vögel dazwischenfahren und sich ihre Nahrung holen würden. Aber nichts störte den Zauber dieser harmonisch und schwerelos dahingleitenden Welt.
Ich saß auf dem Balkon, in Träume versunken, und blickte dem Flug der Lichtpunkte nach. Es war, als hätten sich Elfen in Goldstaub verwandelt und huldigten tanzend ihrer Herrin Titania. Feierlich poetische Minuten vor dem Hintergrund des Feierabendverkehrs und dem Kreischen von Teenagern.
Zurück zu den Stechmücken, die es nachts in puncto Lästigkeit durchaus mit Elefanten aufnehmen können. Viele glauben, das Licht locke sie ins Zimmer. Dem ist nicht so. Es sind unsere körpereigenen Duftstoffe, besonders die von Menschen mit der Blutgruppe 0, und unsere verbrauchte Atemluft, auf welche die Weibchen so scharf sind. Irgendwann dringt aus dem Dunkel des Schlafzimmers das bekannte Sirren an unser Ohr, und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Halali, erwartet bloß keine Gnade! Zum Glück sind sie nicht so flink wie die Fliegen. Wir wollen ja nicht von ihnen aufgefressen werden.
So schnell gelingt ihnen das allerdings nicht. Im menschlichen Körper kreisen durchschnittlich 5 ½ Liter Blut. Es wären also etwa eine Million Moskitostiche nötig, kurz hintereinander, um dich oder mich komplett auszusaugen. Ein Trost ist diese Tatsache aber trotzdem nicht.
Um die Viecher von meiner Kemenate fernzuhalten, stelle ich Kräuter aufs Fensterbrett, denn die Blutsauger fliehen vor Lavendel, Zitronenmelisse, Minze, Salbei, Rosmarin und Thymian. Schon in „Scarborough Fair“ weiß man es: sage, rosemary and thyme.
© Maria Büchler 2021-07-10