von Gabriele Ecker
Max war ein junger, kleiner Engel und erst seit kurzer Zeit im Himmel. Er war neugierig, träumte gerne und spielte Fangen mit den Wolken. Den Wind hörte er gerne zu, wenn er von der Erde und den Menschen erzählte. Da vergaß er alles um sich herum, auch seine himmlischen Pflichten. Der Oberengel Michael hat den Kleinen die Aufgabe erteilt, dass er dreimal am Tag die Himmelsglocken von 9.00 bis 10.00 läuten soll. Außerdem war er für die Reinigung der Traugott-Gasse zuständig. Michael hatte schon Verständnis, dass es für Max nicht so leicht war, sich in diesen Himmelsbetrieb einzufügen. Aber Pflicht war nun mal Pflicht! Die meisten Engel beschwerten sich über den kleinen Engel, weil er seine Arbeit nicht ernst nahm und immer zu spät kam. So konnte das nicht weitergehen, schließlich rief Michael den Kleinen zu sich und stellte ihn zur Rede. Max stand mit zerzausten Flügeln, hochroten Backen, verstrubbelten Haaren und glänzenden Augen vor dem Erzengel, zerknirscht murmelte er eine Entschuldigung. Michael konnte ihm garnicht böse sein und so bekam er nur eine ernste Ermahnung. Max gelobte Besserung und flog erleichtert davon, bei der nächsten Wolke hat er alle Vorsätze vergessen. Michael sah ihm hinterher und dachte wehmütig an seine eigene Jugendzeit. Für Max war es oft nicht leicht im Himmel, aber die anderen gewöhnten sich an ihn. Er war eben der Engel, der immer zu spät kam.
Eines Tages wurde eine Himmelskonferenz einberufen. Alle Engel pünktlich um 11.00 Uhr im Halleluja- Saal- alle Engel. An ein solches Treffen konnte sich kein Engel erinnern. Max war gerade noch rechtzeitig zur Tür hereingeflitzt. Michael eröffnete die Sitzung und berichtete von der Unordnung auf der Erde, von Krieg und Hass. Die Menschen liebten einander nicht mehr, sie schauten nur noch auf das Geld, statt in Gottes Freiheit zu leben. Deshalb hat sich Gott entschieden, selbst auf die Erde zu gehen! Gott wurde Mensch und die Engel sollten ihm dabei helfen. Womit könnte man Gott bei seinem Vorhaben unterstützen? Die Engel waren ein bisschen ratlos. Nach langen Diskussionen unter den Engeln schälte sich ein Kompromiss heraus: Man würde zur Erde fliegen und dort zu Gottes Geburt den größten Lobpreis veranstalten, den man sich denken kann. Anwesenheitspflicht für alle Engel in Bethlehem, mit gut geölten Stimmen. Max würde pünktlich sein, er würde so laut jubeln, wie es seine Stimme hergab. Er würde dazu beitragen, dass Gottes Botschaft auf der Erde nicht ungehört verhallen würde. Ich werde tun was ich kann und dieses Mal komme ich nicht zu spät! Der große Tag rückte näher. Die Engel probten unermüdlich das “ Hosiana!” Sie kontrollierten ihre Flügel, tranken eine letzte Tasse Salbeitee und flogen einer nach dem anderen Richtung Erde. Frisch gebürstet und gekämmt startete auch Max zur Erde. Er landete irgendwo nördlich von Bethlehem, weil er wieder seine Augen woanders hatte, wirbelte er den Staub auf und dieser nahm ihm die Sicht. Neugierig sah er sich um. Die Erde!
© Gabriele Ecker 2022-01-12