von Mariella Hofer
Nach all den Besuchen beim Tierarzt hatte Emily gelernt, dass es – obwohl es seltsame Tiere gab – es die Besitzer waren, die diesem Wort die Krone aufsetzten. Einige der Leute waren einfach besorgt um ihre Tiere und wünschten die Wartezeit möglichst kurz.
Andere jedoch… Andere Menschen hatten Schildkröten mit Depressionen im Kühlschrank, Tauben, die zu laut gurrten und verschiedenes Kleingetier in Tupperware Dosen. Auch die Artenvielfalt, die sie zu sehen bekam, hatte Emily oftmals überrascht. Viele der Haustiere hätte sie früher nie für haustiertauglich gehalten. Vielleicht gab es auch die ein oder andere Tierart, die besser nicht gehalten hätte werden sollen. Doch darüber ließ sich bestimmt streiten.
So hatte das Mädchen Wildtiere zu sehen bekommen und die ein oder andere Problematik dazu. Zum Beispiel fragte sie sich oft, wie der Mann mit der riesigen Landschildkröte seinen Alltag meisterte und wem er das Reptil einmal vererben würde. Emily wusste, dass ein Menschenleben allein nicht an das Alter einer Schildkröte heranreichen konnte. Somit hatte er nicht nur sich selbst der Verantwortung über dieses Lebewesen verschrieben. Eines hatten jedoch alle gemeinsam. Sie liebten ihre Tiere.
Ob es wohl eine Art Anforderung für Tierhalter gab, die vorsah, dass alle etwas exzentrisch waren? Oder hatte nur Emily das Glück den Tierarzt mit den speziellen Fällen gefunden zu haben? Was es auch war, mittlerweile genoss sie es. Nie wurde es langweilig im Wartesaal und so faszinierende, witzige oder skurrile Geschichten hörte man sonst selten wo.
Vielleicht wurde man auch automatisch mit der Zeit als Tierhalter etwas sonderbar? Immerhin war Emilys Familie auf bestem Wege sich dieser Gruppe anzuschlieĂźen: Emily sprach mit ihrem Tier wie mit einem Menschen, obwohl sie nie eine Antwort erwartete. Sie ging mit ihrer Katze an der Leine spazieren, damit diese Bewegung und frische Luft genieĂźen konnte, ohne an der HauptstraĂźe in Gefahr zu geraten. Sie besaĂź mittlerweile sogar einen Rucksack mit kleinen Fenstern aus Netz, um ihr Tier zu tragen, wenn dieses beschloss keinen Schritt mehr gehen zu wollen.
Emily hatte ihre eigenen Sonderheiten, ĂĽber die vielleicht der ein oder andere Besucher der Tierarztpraxis heimlich kichern konnte oder mit den Augen rollte. So schloss sich der Kreis und wer weiĂź, vielleicht vertrieb sich durch ihre eigenen Tiergeschichten ein anderer die lange Wartezeit.
© Mariella Hofer 2022-08-28