Der Fechtsäbel im Ofen

Evelyn Klettner

von Evelyn Klettner

Story

Das Leben bringt viele unerwartete Dinge mit sich. Diese können sowohl von Glück erfüllte Momente sein, in denen es scheint, als könnte es gar nicht besser laufen oder Momente, in denen man sich wünschte, man könnte die Zeit zurückdrehen.

Meine Erfahrungen mit meiner besten Freundin waren von beidem geprägt, jedoch gab es nie wirklich schlimme Nachfolgen. Es gab die gelegentlichen Streitereien um den letzten Keks, das Wettrennen zur Haltestelle oder die ein oder andere Schramme. Wir waren genau wie alle anderen Kinder. Was uns jedoch von anderen abhob, waren die Mittel, die wir hatten, um Blödsinn anzustellen.

An einem warmen Sommernachmittag machte ich mich mal wieder auf den Weg zu ihrem Haus. Laufend schaffte ich es unterhalb von einer Minute zu ihrem Gartentor. Nachdem ich den Griff nach unten drückte und das allzu vertraute Quietschen abermals ertönte, stand sie bereits mit einem breiten Grinsen vor mir.

„Komm mit!”, rief sie, als sie meine Hand packte und mich in ihren Keller führte. Dort angekommen sah ich einen riesigen Schrank, welcher einem Antiquitätenladen ähnelte. Alte Münzen, von Motten zerfressene Kleidung, eiserne Gefäße und vieles mehr. Noch während ich die vielseitigen Gegenstände bewunderte, wühlte meine Freundin wild umher. Im nächsten Moment zog sie einen langen Gegenstand heraus, welcher sich als alter Fechtsäbel herausstellte. Meine Augen weiteten sich beim Anblick dieses mir noch unbekannten Gegenstandes.

Noch bevor ich jedoch etwas sagen konnte, deutete meine Freundin auf einen kleinen, tragbaren Ofen. „Lass ihn uns erhitzen und schmieden!”, sagte sie mit einer enthusiastischen Stimme. Obwohl ich anfangs an der Idee zweifelte, hatte sie mich kurz darauf umgestimmt. Schon wenige Minuten später stand der Ofen im Garten und das Feuer brannte lichterloh. Die stumpfe Waffe lag still in den glühenden Flammen. Ich starrte mit Faszination auf unser Projekt und bewegte mich immer näher zum Ofen. Plötzlich holte meine Freundin jedoch weit aus und riss den Säbel aus dem Gerät. Dabei strich die glühend heiße Spitze des Fechtinstruments an meiner Wange und sogleich entstand ein roter Fleck. Ich wich vor Schreck zurück und auch meine Freundin bemerkte was geschehen war.

Wir kühlten mein Gesicht für die nächste halbe Stunde und versprachen einander niemanden davon zu erzählen. Damals und auch heute ist mein Gesicht ohne Narbe und uns bleiben einzig und allein die Erinnerungen.

© Evelyn Klettner 2023-01-13

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