von Silvia Peiker
Stück für Stück gewinnt das Puzzle an Form und Durchblick. Am einfachsten fügen sich stets die an einer Seite glatt geschnittenen Randteile ineinander, anspruchsvoller ist es dann, die Konturen des Bildes passend zu den Farbnuancen und unterschiedlichen Formen zusammenzusetzen. Aber am herausforderndsten ist es, wenn mehrere ähnliche Muster an verschiedenen Stellen das Sortieren zur Mühsal, ähnlich einem steilen, nie enden wollenden Anstieg, werden lassen. Dann ist es meist besser, innezuhalten und längere Pausen einzulegen, um eine neue Perspektive zu gewinnen.
Nach etlichen Rückschlägen in Form von Absagen tankte ich Kraft im heilsamen Wald und summte mein Mantra: Der nächste Job ist mir gewiss“. Den Kopf frei von tristen Gedanken kehrte ich rechtzeitig nach Hause zurück, um den heiß ersehnten Anruf entgegenzunehmen. Die Volkshochschule, an der ich seit vielen Jahren Sprachkurse belegte, lud mich zu einem Vorstellungsgespräch für einen Teilzeitjob an der Kurskasse ein. Und meine Performance überzeugte dieses Mal dank der Empfehlung meiner Kursleiterin vom English Conversation Course, meines selbstbewussten Auftretens sowie meiner Schwäche für Schokolade, die für Heiterkeit sorgte,
Leider fiel mein Arbeitsbeginn mit dem Schulstart meiner Kinder nach den Sommerferien zusammen. Die Jüngste hatte gerade von der Volksschule ins Gymnasium nach Wien gewechselt und musste ihre Schülerfreifahrtkarte nun ohne mütterliche Hilfe bei den Wiener Verkehrsbetrieben besorgen. Nachdem die 10-Jährige sich in Wien verirrt hatte, ereilte mich ihr hilfesuchender Anruf ausgerechnet während der Einschulung. Dafür hatte meine neue Kollegin, die keine Kinder hatte und mit der ich im Wechseldienst rotierte, gar kein Verständnis. Um dieses Fettnäpfchen wieder auszumerzen, legte ich mich arbeitsmäßig mächtig ins Zeug und schenkte ihr zum Geburtstag eine schöne Topfpflanze. Darüber war sie aber wenig erfreut, denn sie hatte mit einem persönlicheren Geschenk gerechnet. Ich kannte sie erst kurz, denn wir sahen uns meistens nur eine halbe Stunde in der Mittagszeit, und da musste die Kurskassa übergeben und dienstliche Angelegenheiten besprochen werden. Privates blieb so meistens auf der Strecke.
Vom ersten Tag an war sie mir gegenüber abweisend und erzählte mir nur das Allernötigste. Wichtige Anrufe, auf die die Kunden in meiner Schicht warteten, vergaß sie aufzuschreiben, und ich wurde dann aus dem Blauen heraus mit Beschwerden bedacht. Immer wieder kritisierte sie meine Arbeitsweise, bis der Groschen fiel. Mehrere Kursteilnehmer*innen hielten mich für ihre Nichte, die den Job jedoch in Ermangelung eines Computerführerscheines nach missglückter, zweimaliger Bewerbung nicht erhalten hatte.
Die Arbeit machte mir großen Spaß, aber nachdem meine Kollegin länger im Krankenstand gewesen war, bezichtigte sie mich der Veruntreuung. Zum Glück konnte ich meine Unschuld beweisen und zog die Reißleine.
© Silvia Peiker 2022-12-01