Der Fehler im Manuskript

Hannah Trapp

von Hannah Trapp

Story
Bayern

Das Ich mit den Rasterzöpfchen tut mir leid und ich hoffe, dass es mir nicht ähnlich ergehen wird, mit der Entscheidung fĂĽr den anderen Weg, die Welt zu verbessern… Und dann passiert es. Ich treffe auf eine Hannah mittleren Alters, die aufgegangen war, wie ein HefekloĂź. Das klingt, als hätte ich eine Abneigung gegen Menschen mit mehr Gewicht. Nun, das ist absolut nicht der Fall. Aber ich habe mich zeit meines Lebens ĂĽbertrieben und ungesund mit meiner Körperform auseinandergesetzt und einen unfassbaren Kontrollzwang entwickelt – dem widerspricht dieses Bild doch sehr…Entsetzt sehe ich mir zu, wie ich mich auf einem Schreibtischstuhl in einem BĂĽro räkle und mit dem Arm in einer Dose Kekse wĂĽhle. Lustlos stecke ich mir gleich zwei hintereinander in den Mund. Ich schmolle und blicke an meinem sperrigen PC vorbei zu meiner Kollegin Marion und weine mich bei ihr aus. „Dieser Franko. Der ist ehrlich sowas von untalentiert. Warum nehmen wir so etwas unter Vertrag?“ Marion lacht. Ich finde es gar nicht lustig. Ich meine es todernst. Erst vor kurzem hatte ich dem Chef ein Manuskript von mir vorgelegt. Ich hatte meinen ganzen Mut zusammengenommen. „Kleines“, hatte er abwertend gesagt „Sie sind die perfekte Lektorin. Sie mĂĽssen wirklich nicht selbst schreiben, um das zu beweisen!“ Ich wĂĽnsche ihm noch immer Pest und Cholera an den Hals. Nicht eine Sekunde länger bin ich bereit, aus diesem albernen Abenteuerroman dieses aufgeblasenen Typs, der sich Franko nennt, etwas halbwegs Akzeptables zu zaubern. „Wieso probierst du es nicht weiter selbst mit dem Schreiben?“, fragt Marion. Sie kann wohl Gedanken lesen. Ich blicke sie bitter an. „Der Zug ist doch abgefahren“, behaupte ich entmutigt. Es war eine bescheuerte Idee gewesen, Lektorin zu werden. Eine völlige Kurzschlussreaktion. Im Examensstress hatte ich entschieden, dass ich mir das nicht antun mĂĽsste. Ich hatte genug andere Talente – so meine Meinung von mir selbst. Ich hing zu der Zeit ĂĽber drei Bachelorarbeiten meiner Freunde. Wie immer hatte ich Freude, sie zu korrigieren. Etwas Besseres aus einem mittelmäßigen Text zu machen, gab mir eine seltsam erfĂĽllende Befriedigung. Und dann war ich Lektorin geworden. Ich. Die keine fĂĽnf Minuten stillsitzen konnte. Ich, die es vor BĂĽroarbeit graute. Aber dann – schwanger und in Nöten – war ein sicherer Job, den ich nach der Elternzeit wieder antreten konnte, die Rettung gewesen. „Ich jammere ja auf hohem Niveau“, sage ich eher, um mich zu ĂĽberzeugen als Marion „Ich arbeite ja nur Teilzeit!“ Marion blickte mich unsicher an. Sie weiĂź, dass ich trotz Teilzeit unzufrieden bin. Die Arme darf sich mein Gejammer schlieĂźlich dauernd anhören. Ja, verdammt, ich bin unzufrieden. Der BĂĽrojob hat mich dick gemacht. Zum FuĂźball kann ich nicht mehr, weil inzwischen drei Kinder und zwei Hunde auf mich angewiesen sind. Also vielleicht könnte es irgendwie …Aber, es war doch aussichtslos. Ich wĂĽrde keine zehn Minuten mehr durchhalten. „Willst du auch einen Kaffee?“, frage ich Marion. „Klaro“ Sie nickt freudig. Ich bilde mir ein, dass sie mir dennoch sehr besorgt nachblickt.

© Hannah Trapp 2023-04-27

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Angespannt
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