Der Fußballplatz

Brigitte Thonhauser

von Brigitte Thonhauser

Story

Der Fußballplatz

Eines Morgens wurde ich durch heftigen Lärm aus dem Schlaf geweckt. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich, wie riesige Haufen von Sand und Erde sich zu türmen begannen und Baumaschinen eifrig hin und her fuhren. Da erinnerte ich mich daran, dass unser Herr Bürgermeister beim letzten Dorfdialog angekündigt hatte, dass der Fußballplatz am Kinderspielplatz zwischen Friedhof und Weingarten mit einem Kunstrasen ausgestattet werden sollte.

Während ich den Baumaschinen bei ihrer Arbeit zusah, gingen meine Gedanken etwa vierzig Jahre zurück. Viele der Häuser in unserer Umgebung standen damals noch nicht. An deren Stelle dehnten sich verwilderte Obstgärten aus, in denen unsere Kinder gerne mit den Nachbarskindern spielten. Die Buben waren besonders von einer Fläche angetan, wo die Bäume etwas schütterer standen. Dort konnten sie auf den dazwischen liegenden Wiesenflächen „kicken“. Das Highlight jedes Sommers war das große Fußballmatch Väter gegen Söhne, in dessen Anschluss es immer ein großes Fest mit Saft, Kuchen und Würsteln gab, an dem sich auch die Nachbarsfamilien gerne beteiligten. Die Kinder beklagten sich jedoch immer wieder über die vielen Steine, knorrigen Wurzeln und stechenden Halme, die ihnen beim Laufen ein schmerzliches Hindernis waren. Eigentlich träumten sie von einem echten Fußballplatz.

Da beschlossen wir eines Tages einen mutigen Schritt zu tun: ich sammelte die Bubenschar zusammen, und wir gingen zum damaligen Bürgermeister, um ihn zu bitten, er möge doch das Grundstück zwischen Friedhof und Weingarten, auf dem die oft übel riechenden Abfälle vom Friedhof gelagert wurden, räumen lassen und den Kindern zum Fußballspielen zur Verfügung stellen. Beim Anblick der fußballbegeisterten Bubenschar erinnerte er sich an seine eigene Kindheit und meinte, wenn es nur darum ginge den Platz frei zu machen und zwei Stecken für ein Tor einzuschlagen, dann ließe sich das machen. Kurz darauf war der Mistplatz leergefegt und unsere Buben und ihre Freunde waren glücklich, nicht mehr auf einem Stoppelfeld, sondern auf einer fast geraden Wiese spielen zu können. So wurde der ehemalige Mistplatz zu einem Nährboden für junge Fußballtalente. Kurze Zeit später wurde auch ein Zaun um das Gelände gezogen. Ein Gittertor sollte verhindern, dass Hunde ihre Spuren auf dem Spielplatz hinterließen, was allerdings nicht von allen Hundebesitzern begrüßt, aber nach einigen Diskussionen doch eingesehen wurde. In weiterer Folge kamen sogar Schaukeln, eine Sandkiste und andere Geräte dazu.

Als unsere längst erwachsenen Söhne, von denen einer inzwischen Präsident der Österreichischen Bundesliga ist, einmal vorbeikamen und den gepflegten, inzwischen sogar um einen Skateplatz und eine Calisthenics Anlage erweiterten, perfekt ausgestatteten Spielplatz sahen, erinnerten sie sich wehmütig an die Anfänge. Was werden sie erst sagen, wenn sie den neuen Fußballplatz mit dem Kunstrasen sehen?

© Brigitte Thonhauser 2019-11-09