Der Garten

Nina Burian

von Nina Burian

Story

In Wien entstanden die ersten SchrebergĂ€rten am Ameisbach und meine Urgroßeltern gehörten zu den ersten PĂ€chtern. Meine Ururoma fĂŒhlte sich als Landfrau nicht wohl in der Stadt, weshalb der Schrebergarten in der Zwischenkriegszeit extra fĂŒr sie angeschafft wurde. FrĂŒher wohnten von Mai bis September die Urgroßeltern im Garten. Ein Schuster nutze bis nach dem Krieg den ca. 5 qm2 großen Dachboden, den man nur ĂŒber eine Leiter von außen erreichen konnte als Werkstatt.

Bis in meine Kindheit in den 90er Jahren hatte sich “der Garten”, wie wir ihn innerhalb unserer Familie kreativerweise nannten, kaum verĂ€ndert. Wir verbrachten dort unsere Freizeit, sobald es warm wurde und fĂŒr mich war er ein verzauberter Abenteuerspielplatz.

Ich trete an Omas Hand durch die meterhohen Efeuhecken. Knorrige BĂ€ume schmiegen sich an die WĂ€nde der grĂŒnen “Schuhschachtel”. Unebene Steine dienen als Weg zu einem kleinen Haus mit dunkelgrĂŒn gestrichenen FensterlĂ€den, das Verandadach ganz und gar ĂŒberwuchert, entlang der Fenster Heckenrosen.

Das winzige Haus besteht aus einem Zimmer und Kabinett. Ich stöbere in fleckigen Wellblechschachteln, gefĂŒllt mit Zinnsoldaten und Figuren, es riecht nach altem Papier, das mir aus BĂŒchern in Geheimschrift in die Nase steigt. Staubflocken tanzen durch das schrĂ€g einfallende Sonnenlicht, als ich auf dem großen runden Polster auf und ab hĂŒpfe.

Die einzige Neuerung der letzten Jahrzehnte waren der Wasseranschluss und spĂ€ter ein KĂŒhlschrank. Bis dahin wurden verderbliche Lebensmittel in einem Erdkeller unter der Veranda aufbewahrt. Oma lagert dort auch spĂ€ter noch vor allem Wein, Mineralwasser und ErdĂ€pfel. Ich beobachte sie aufgeregt, als sie den Tisch verrĂŒckt, den Teppich umschlĂ€gt und die geheimnisvolle FalltĂŒr im Boden öffnet. Feuchter Muff und der Geruch von kalter Erde schlagen uns entgegen. Oma taucht tapfer hinab und kommt wohlbehalten mit SchĂ€tzen im Arm wieder herauf. Der Kokosfaserteppich unter meinen nackten FĂŒĂŸen sticht mir leicht in die Fußsohlen. Im Garten hat man als Kind keine Schuhe an.

Die kalten Steinplatten fĂŒhren mich hinters Haus zur Schaukel. Ich versuche mit meinen FĂŒĂŸen, den Wipfel der riesigen Tanne zu erreichen. Ich lasse den Blick ĂŒber unsere Wiese schweifen. GĂ€nseblĂŒmchen und Primeln sind kleine Farbtupfer im saftigen GrĂŒn. Am Rand steht Opa mit seinem Strohhut und trimmt akkurat die 3 Meter hohen Hecken.

Gleich rechts vor dem Haus ist ein kleines, lauschiges PlĂ€tzchen. Waschbetonplatten auf dem Boden, ein kleiner Tisch, gelb bemalte Korbsessel, rundum weiße Rosen, die von Holzstangen hĂ€ngen. Die Erwachsenen sitzen gemĂŒtlich beisammen und Löffel klirren leise in den Kaffeetassen. Gabeln kratzen ĂŒber Omas Augarten Porzellan und spießen saftigen Gugelhupf auf. Ich setzte mich daneben in die Sandkiste. VergnĂŒgt backe auch ich einen Kuchen und koste stolz das Ergebnis. Oma sagt, das sei gut fĂŒrs Immunsystem. Ich verstehe es nicht und grinse sie knirschend an.

© Nina Burian 2021-04-05

Hashtags