Der Garten – (k)ein Paradies

Alexandra Markl

von Alexandra Markl

Story

Mein Garten ist hässlich.

Die Sonne hat das Gras verbrannt und Risse in die Erde gezogen. Die Fichte am Ende des Gartens hat fast alle Nadeln verloren. In den Ginsterbüschen haben sich Nester voll dunkler Blätter gesammelt, die zwei Eiben sind abgestorben. Grün ist nur mehr der Holzzaun; bei näherem Hinsehen blättert auch da die Farbe ab. Die Vernunft rät zum Verkauf.

Ich seufze. Aber ich habe nun einmal Thereses Haus mit Garten geerbt; ich, die Zimmerpflanze. Auch die zahlreichen Aufenthalte bei der kinderlosen Tante am Land hatten meine Liebe fürs Grüne nie wecken können. Zu ihr hatten mich die Eltern oft abgeschoben, angeblich der guten Luft wegen.

Thereses Haus mochte ich ja. Es war voll von verstaubten Taschenbüchern, die ich mit Begeisterung las. Ich reiste in die Vergangenheit und in ferne Galaxien, und einmal rund um die Welt. Ich erlebte Abenteuer und entkam dem Tod, ich fand die große Liebe und trug sie zu Grabe. Meine Wangen waren oft nass, wenn Therese zum Abendessen rief. Dann strich sie mir über den Kopf: „Bücherwurm, gib dem Garten doch auch einmal eine Chance. Er ist ein guter Freund.“

Zum Essen gab es oft selbst gezogenes Gemüse, das meiste mochte ich nicht besonders. Der Salat schmeckte nach Erde, und die Stachelbeeren schmerzten im Mund. Nur die Himbeeren liebte ich; aber die Stauden zerkratzten mir die Hände. So wartete ich lieber, bis Therese mit einer großen Schüssel davon ins Haus kam. Dann wusch ich eine nach der anderen vorsichtig ab und trocknete sie auf dem ausgeblichenen Geschirrtuch.

Oft brachte sie auch Rosen ins Haus, sie hatten dicke Stiele, und ihre Blätter wurden schnell fleckig. Auch die anderen Blumen gefielen mir nicht. Am blauen Rittersporn klebten immer Ameisen, die Gladiolen waren von einem hässlichen Orange. Die Margeriten sahen widerspenstig aus und der Jasmin roch widerlich süß. Schön fand ich nur die dunkelgrünen Blätter der Rhododendren vor dem Haus, aber dort saßen schleimige Nacktschnecken.

Therese jätete, pflückte, pflanzte und düngte. Manchmal wagte ich mich mit einem Buch in der Hand auf die Terrasse und sah ihr zu, wie sie bei den Stauden hantierte. Dann blickte sie kurz auf und winkte mir zu. Therese selbst, so schien es mir, las nur in Katalogen voller Pflanzenfotos.

Dass Therese, die ich immer nur in Bewegung gesehen hatte, krank sein könnte, war mir nie in den Sinn gekommen. Als ich sie im Spital besuchte, wuchsen bereits Schläuche aus ihrem Körper. Ich sah ihr dann so lange in die Augen, bis sie wieder Therese war, und nahm ihre fleckige Hand.

Therese hörte gut zu. Ich wagte zum ersten Mal laut auszusprechen, dass ich einsam war.

Allein stehe ich nun in dem hässlichen Garten. Die Vernunft rät zum Verkauf.

Langsam wird es dunkel. Mit einem Glas von dem Rotwein, den ich im Haus gefunden habe, setze ich mich auf die warmen Stufen der Terrasse und denke an Therese. Dort hinten bei den Stauden sehe ich sie in der Dämmerung. Der Wein duftet nach Himbeeren.

© Alexandra Markl 2021-04-25

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