Der Garten -(m)ein Paradies

Christa Neumann

von Christa Neumann

Story

Ein grüner Sehnsuchtsort war er nicht dieser Garten, schon gar nicht englisch oder penibel gepflegt.Reichlich Wildwuchs erwartete sie beim Einzug ins dazugehörige Haus. Steinig, sehr steinig waren nicht nur die wenigen brach liegenden Flächen, steinig war auch der Weg zu ihrem naturnahen Gartentraum. Doch voller Enthusiasmus machten sie sich ans Werk und entfernten knorrige Ranken vom Wilden Wein, die sich um uralte, morsche Obstbäume legten. Die sonst so geschätzten Hollerbüsche mussten weichen, da Strauben und Beeren alle Jahre wieder von den Blattläusen belagert wurden. Alte Hasenställe, ein marodes Mistbeet in Schieflage, das Stück Land am Ende des Grundstücks entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Gemüsegarten. Hier ein paar Petersilienbüschel, dort vereinzelte Stiele des Gemeinen Rhabarbers, in die Enge getrieben vom zweijährigen Silberling. Dicke Bohnen, die an krummen Stecken rankten, flankiert von grässlichen Fuchsschwanz-Kolonien. Zum Glück gab es in diesem ersten Frühling und Sommer auch Entdeckungen, die das Herz erfreuten. Duftveilchen, Maiglöckchen, herrlich altmodische Akeleien, Phlox und Pfingstrosen in zartem Rosa, Schwertlilien in vornehmem Königsblau. Allesamt Pflanzen, die auch im Garten ihrer Kindheit zu finden waren.Und so vergingen die ersten Gartenjahre mit Steineklauben und Wurzelstechen, mit Erfolgen und Rückschlägen, vorprogrammierten Enttäuschungen, durch die sie lernten, dass nicht jede Pflanze steinigen Boden bevorzugt, dass nur ein nährstoffreicher Boden gutes Wachstum und reiche Ernte garantiert.Sie lernten in einer frühen Wachstumsphase Unkraut von Kulturpflanzen zu unterscheiden, freuten sich an den Geschenken der Vögel, die so manche Überraschung in die Staudenbeete schummelten. Der wilde Rittersporn war so ein Präsent der Lüfte, das sich eingenistet hatte, um zu bleiben.Gartenreisen nach England erweiterten ihren botanischen Horizont, und so gestalteten sie in ihrem kleinen Refugium unter anderem ein weißes Sissinghurst-Beet.Mit den Steinen in ihrem Garten haben sie im Laufe von dreißig Jahren Frieden geschlossen.Vom Küchenfenster aus fällt der Blick auf einen großen, grünen Stein im Vorgarten. Er erinnert an einen fröhlichen Ferientag im Stubaital. Ein anderer, flacher, herzförmiger Stein wurde beim Umgraben im Gemüsegarten entdeckt, er hat einen Ehrenplatz im Haus bekommen.Mit Steinen, die einem das Leben vor die Füße wirft, versuchen sie so umzugehen, wie es Isolde Lachmann in einem ihrer Gedichte beschreibt: Der Stein, der in mein Leben fiel, hat einen tiefen Sinn. Wo ich ihn nicht versetzen kann, muss ich ihn überblüh´n.

© Christa Neumann 2021-04-23