von HelMar
Meine kleine grüne Welt
Ich bin vor vielen Jahren nach Wien gezogen. Als Steirerin, der Liebe folgend. Glücklicherweise hat mich ein Bezirk aufgenommen, der weithin als einer der schönsten von Wien gilt. Viel Grün und viel Landschaft haben mich seither umgeben und mir den Umzug vom Land in die Stadt nicht schwer gemacht.
Ich wohne jetzt im ersten Stock und bin glückliche Besitzerin einer Innenhofterrasse, die von allen Seiten mit Eiben begrenzt ist. Vor einiger Zeit hat mich noch der Gesang der Amseln aus dem Schlaf geholt. Inzwischen sind Amseln rar geworden und durch einen frechen Schwarm Sperlinge ersetzt worden. Zu den Kräutern, die ich auch des Duftes wegen züchte und welche die Eibentröge säumen, gesellten sich im Laufe der Jahre drei Pflanzen, die mir immer mehr ans Herz gewachsen sind.
Den Rosmarin habe ich als kleines Pflänzchen in einen der Tröge gesetzt und ihm dann eigentlich über die Jahre hinweg nur wenig Beachtung geschenkt. Er schien sich aber in seiner Umgebung sehr wohl zu fühlen, wuchs wie verrückt zu einem riesigen Strauch heran. Er überstand einige eisige Winter, die jedem Rosmarin eigentlich den Garaus machen würden. Eines Tages stand er in voller Blüte. Es war ein zartes, fast verschämtes Blau, das sich mir staunend darbot. Jetzt blüht mein Rosmarin Jahr für Jahr. Wohl auch aus Dankbarkeit darüber, dass ich ihn über viele Jahre seinem stillen Gedeihen überließ.
Vor dem Küchenfenster hat sich ein duftender Yasminstrauch breitgemacht. Er ist erst ein paar Jahre alt und hat bereits die Form eines Baumes angenommen. Und er will dauernd von mir zurechtgeschnitten werden, um nicht in den Himmel zu schießen.
Ja, und da ist noch mein Prunkstück und meine große Liebe, der Ginkgo. Vor über zwanzig Jahren habe ich ihn vom Botanischen Garten anlässlich einer Exkursion als Pflanze von maximal zwanzig Zentimeter erstanden. Auch er hatte über viele Jahre sein stilles Dasein gehabt, bis er sich, wie mir scheint plötzlich, zu einem Baum von über zwei Metern gemausert hatte. Sein Blätterkleid wurde immer dichter und ist jetzt in seinem Herbstgold ein prächtiger Anblick.
Manchmal sinniere ich darüber nach, wie sich Pflanzen auch ohne großes Zutun so wunderbar entwickeln können. Es ist mir klar, dass die Grundbedürfnisse stimmen müssen: Gute und durchlässige Erde, regelmäßiges Gießen, nicht zu viel Dünger, das richtige Plätzchen – viel Sonne für den Rosmarin, Halbschatten für den Yasmin und ein eher ungeschützter Standort für den Ginkgo. Aber alles ist mehr dem Gespür als echtem Gartenwissen geschuldet. Vielleicht stimmt es daher wirklich, was oft behauptet wird, nämlich dass Pflanzen es genießen, wenn ihnen ihre Besitzer Liebe entgegenbringen. Und die habe ich all´ die Jahre hinweg, abends auf meiner Gartenbank die Sterne beobachtend, über meine grünenTerrassenbewohner, in Dankbarkeit und Freude über so viel Schönheit, im Überfluss verströmt.
© HelMar 2021-04-24