Der Garten meiner Kindheit (2)

Eva Filice

von Eva Filice

Story

Unser Wohnhaus liegt am Hauptplatz, gegenüber der Kirche. Es erstreckt sich L-förmig über die Hälfte des 3000 m2 großen Grundstücks. Anschließend an den Wohnbereich befand sich das Wirtschaftsgebäude: eine Futterkammer, Stallungen für Pferde, Kühe, Schweine, Hühner, Gänse und Enten. Hunde und Katzen sorgten meist selbst für ihr Futter.

Der große Bauerngarten bot alles, was wir zum Leben benötigten, es war ein Traumgarten. Ein Paradies für uns Kinder, später auch noch für meine Kinder. Ein Platz für mehrere Generationen, aber auch für viel Arbeit für Groß und Klein.

Nach dem Bereich, wo das Geflügel frei herumlaufen konnte, schlossen der Gemüsegarten und der Obstgarten an, abgetrennt durch einen Drahtzaun. Das Barfußlaufen durch den Geflügelhof war ein Hürdenlauf. Kaum nicht aufgepasst, quellte der Hühnerdreck zwischen den Zehen hervor.

Beete mit Paradeisern, Paprika, Radieschen, Gurken, Zwiebeln, Knoblauch, Karotten, Petersilie, Schnittlauch, Kohlrabi, Salat und Kohl verwöhnten uns mit reifen und geschmackvollen Produkten, denen noch nicht das Merkmal BIO anhaftete, die es aus dem Verständnis meiner Eltern her bereits waren.

Unzählige Obstbäume boten uns frisches Obst im Frühling, Sommer und Herbst. Für den Winter wurde mit Marmeladen und Kompott vorgesorgt. Bäume mit Kirschen, Weichseln, Marillen, Weingartenpfirsichen, Ringlotten, Birnen, Äpfeln, Zwetschen und Walnüssen schenkten uns geschmackvolle Früchte. Der Geschmack unvergleichlich gut. Auf einem großen Nussbaum befand sich eine Schaukel. Vom Himbeerstauch naschten wir gerne, aus Ribiseln und Stachelbeeren wurden traumhafte Kuchen gebacken und Marmelade gemacht. Der säuerliche Geschmack erfrischte an sommerlichen Tagen. Brombeersträucher kamen später dazu.

Unter den Marillenbäumen wuchsen Kukuruz und Kartoffeln, der Platz wurde bis auf den letzten Quadratmeter ausgenützt. Nahe des Kukuruzspeichers aus Holz, von uns Reischn genannt, war das Refugium der Brennnessel. Sie wuchsen einfach wild und niemand nahm Anstoß daran. Sie waren Futter für die Gänse und Enten. Omama riss die Brennnessel mit der Hand aus, ohne Handschuhe. Gut gegen Rheuma, sagte sie lachend! Sie zerschnitt sie mit dem Messer in kleine Streifen und warf das den Gänsen als Futter vor. Brennnesselspaghetti. Der Geruch, der beim Schneiden der Brennnessel zutage trat, ist mir in guter Erinnerung.

Entlang der Nachbarmauer wuchsen rote und gelbe Tulpen sowie ein Fliederbusch mit duftenden dunklen Blüten. Schneebälle erfreuten uns mit ihren weißen runden Blüten, meist waren sie aber verlaust. Pfingstrosen in dunkelrot, rosa und weiß wurden nur für die Altäre zu Fronleichnam geschnitten.

Die Zeiten haben sich verändert. Den Bauernhof gibt es seit dem Tod von Papa nicht mehr. Der Garten hat sich verändert. Einen Nussbaum und zwei alte Marillenbäume gibt es noch. Sie sind die Zeugen meiner Kindheit, die ich als Eva in einem Paradies verbringen durfte.

© Eva Filice 2021-10-25

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