Der Gauner und mein liebes Geld

Doris Günther

von Doris Günther

Story

Ich hatte es mit einem Gauner zu tun. Mein kleiner Trost: ich bin nicht die einzige, die in sein Fettnäpfchen, besser gesagt Gelnäpfchen – in sarkastischer Anlehnung an sein Haupthaar – getreten ist. Für Leistungen, die ich im Namen seiner Firma erbracht habe, behält er mein Honorar ein.

Abgesehen von dem finanziellen Schaden, bringt eine derartige Verhaltensweise mein Blut in gefährliche Wallung. Die Angelegenheit habe ich meinem Anwalt übergeben. Auf seine Aufforderungen reagiert er nicht, möglicherweise ist er in seinen Geltopf gefallen und klebt darin jetzt fest.

Ich müsste nun das ganze vor’s Gericht bringen. Das bringt einiges mit sich, worauf ich gar keine Lust habe bis hin zu der Frage, ob seine Firma fähig sein wird, mein Honorar zu begleichen. Klagen oder nicht klagen?

Ich liege im Bett und kann nicht schlafen, weil mich diese offene Entscheidung quält und was mich noch mehr quält ist der Gedanke, dass Lügenmenschen wir er einer ist, immer wieder ungeschoren davon kommen.

Apropos ungeschoren. Da wäre schon etwas, das mir ein bisschen Befriedigung verschaffen würde: Die Vorstellung, ihm während seiner nächsten Zen-Meditation mit der Rasierklinge ein paar schöne Bahnen in sein Haupthaar zu ziehen.

Ich würde sagen: aktuell bin ich nicht in meiner Mitte. Ich weiß, so will ich mich nicht fühlen und so habe ich auch keine Energie für die Dinge, die auf meinem Horizont stehen. Meine Gedanken drehen sich den ganzen Tag und die halbe Nacht um Ungerechtigkeit, den Gauner, das Geld, Rasierklingen, Geltöpfe, Anwälte, Richter und dergleichen. Das macht mich weder leicht, noch fröhlich, noch konstruktiv oder produktiv.

Ich liege also noch immer im Bett und mir fällt ein, meine EigenSchwingung zu befragen, was sie denn gerne möchte. Sie gibt mir die Information, dass sie sich einfach ausdehnen und ausdrücken möchte, gestalten und schreiben und mit netten Menschen arbeiten und mit unseren Kindern Spaß haben und sie möchte lieben.

Ihr sei es auch völlig egal, ob die Sache gerecht oder ungerecht sei, denn was auf der Welt ist schon gerecht oder ungerecht? Vielleicht ist es so, dass ich hier in meinem Zuhause nur deshalb ein so schönes Leben führen kann, weil jemand anderer, vor langer Zeit, viel mehr gegeben hat, als er empfangen hätte sollen? Wer weiß das schon?

Es beginnt, wieder ruhig in mir zu werden. Der Gauner verblasst und ich stelle fest, Energie in Streitigkeiten mit ihm zu investieren, hat nichts mit dem Leben zu tun, das ich führen will.

Möge er geschoren oder ungeschoren davonkommen und möge mein Geld auf Umwegen jenen zufliessen, für die es bestimmt ist. Er wird keine Freude daran haben, davon bin ich überzeugt. Denn ergaunertes Geld und Lügen machen keinen Spaß.

So weit, dass ich ihn in Licht und Liebe einhülle, bin ich noch nicht. Bilder, die ihn zeigen, wie er in seinem Geltopf feststeckt, zaubern mir bisweilen schon ein Schmunzeln ins Gesicht. Aber das passt schon, ich muss ja nicht unbedingt heilig gesprochen werden.

© Doris Günther 2020-12-14

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