Der geduldige Notizblock

Giggu

von Giggu

Story
Wien

Bin gastronomisch sehr erfahren – und das seit fünfunddreißig Jahren. Wenn ihr zum Tisch mich rufen wollt, ich bin´s, der Ober Leopold!

Die Gäste haben sich gewandelt, bei der Bestellung wird verhandelt: „Geh, bringen S‘ mir das Schweinskotelett, doch ohne Knochen und nicht fett!“ Ich schau den Gast verzweifelt an, denn am Kotelett sind Knochen dran. „Und statt des Knödels möcht ich Reis, Salat gemischt, doch ohne Mais!“

Darauf versuch‘ ich zu erklären, um Sonderwünsche abzuwehren. Da hält er ziemlich lautstark fest, dass er den Chefkoch holen lässt.

Ganz stoisch schreib ich auf den Block: „Ich werf dich raus, du eitler Bock!“ Aus Frust möcht´ ich ihn karikieren – schon fragt er mich nach Markenbieren. Kaum will ich ihn zum Bier beraten, tönt er: „Doch lieber einen Braten! Dazu nicht Reis, ich nehm Pommes Fritt‘ und bringen S‘ gleich ein Ketchup mit!“

Auf meinem Block steht keine Speise, ich kritzle, denn auf diese Weise halt‘ ich die Leut‘ aus ohne Grollen, die oft nicht wissen, was sie wollen. Man kennt mich freundlich und bescheiden, doch manche Leut‘ kann ich nicht leiden.

Voll Stolz berät er seine Braut – mein Stift derweil am Galgen baut – sie lachen, machen dumme Witzerl, entscheiden sich jetzt für ein Schnitzerl!

Mein Block ist voller Emotionen, ich zeichne Fratzen, Galgen, Drohnen. Das Schnitzel, hör‘ ich, woll’n sie teilen und ich soll in die Küche eilen. 1 Schnitzel, 2 Teller, aber kein Bier schreib ich auf mein Notizpapier. „Geh, kommen S‘ noch einmal vorbei, ist unser Mahl auch glutenfrei?“ „Ihr Wunsch, der lässt sich nicht erfüllen“, sag ich dezent, ich tät‘ gern brüllen!

Auf meinem Block knüpf ich ein Seil um einen Pflock, darauf ein Beil. Mein Block, der weiß um meine Wut und kritzeln tut mir wirklich gut. So ist mein Frustabbau gelungen, ich sprech‘ mit wahren Engelszungen.

Mein Koch, bedenkend die Ressourcen, befasst sich mit den Grünmarkt-Kursen, für den Menüplan wöchentlich, muss es sich ausgehen unterm Strich.

Wenn sich ein Gast darin gefällt, den eignen Speiseplan erstellt, mit Sonderwünschen präpotent, man x-mal in die Küche rennt, dann kann es sein, dass es passiert, der Gast wird rauskomplimentiert.

Hat mich mein Frust-Block nicht entspannt, dann schlägt er zu, mein „Wiener Grant“! Kaum dass der Gast es sich versah, dringt´s an sein Ohr gefährlich nah:

„Da samma glei wieda draußn a!“





© Giggu 2024-03-06

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Komisch, Angespannt, Funny
Hashtags