von Gunny Catell
Eine Fehlgeburt zu erleben und zu sehen, wie ein toter Fötus vor einem im Clo liegt, ein blutiges schwarzes etwas, ein Stück hartes Fleisch, abgestoßen, vielleicht drei Monate alt, ist ein verzweifelter Moment im Leben. Ich habe mir so unendlich einen Sohn gewünscht und nun liegt er da. Jahrelang hatte es mit der Empfängnis nicht geklappt und ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben. Und dann musste mensch bitter zur Kenntnis nehmen, dass der Traum, endlich auch einen männlichen Nachkommen zu erzeugen, wieder geplatzt war.
Was war geschehen? Wir haben doch alles getan, dass es ein gesundes Kind wird, und trotzdem hat uns die Natur im Stich gelassen. Mensch muss es einfach so akzeptieren, wie es ist und optimistisch weitermachen, bis das Wunder eines Tages doch geschieht – und es ist geschehen!
Es war ein warmer Sommertag im Jahre 1998 und wir besuchten im Akademietheater eine Vorstellung, die ich mir unbedingt ansehen wollte: Harold und Maude mit Gusti Wolf: die „unmöglichste“ Lovestory der Welt. Ich weiß noch genau, wie viel Lust ich nach der Vorstellung bekommen habe, mit meiner Frau Sex zu machen. Ich versuchte in dieser Nacht besonders lange in ihr drinnen zu bleiben, damit die Spermien ja den richtigen Weg finden konnten. Sie mussten einfach dieses Mal andocken. Nichts durfte sie hindern. Und – EINES hat tatsächlich angedockt, wie wir einige Wochen später erfuhren. Und als sicher war, dass es diesmal ein Sohn würde, kannte meine Freude keine Grenzen.
Ich hatte bereits vor 7 Jahren eine Tochter bekommen und auch das war eine der eindrucksvollsten Momente meines Lebens. Es war das schönste Baby, das ich jemals gesehen hatte. Sie hatte wunderbar große Mandelaugen, wie eine Japanerin. Meine Verwandten versicherten mir, dass ich bei der Geburt auch so große Mandelaugen gehabt hätte, und meine Mutter nannte mich daher immer GUGGI! Das war eine liebe Geste. Ich guckte tatsächlich groß, freudig und neugierig in die Welt, so zufrieden, als wäre ich das bravste Baby in der großen weiten Welt gewesen, was ich aber leider auch war.
Wir fuhren damals ins Geburtshaus Nussdorf, um meine Tochter zur Welt zu bringen. Dies war eine geniale alternative Einrichtung in Wien, die Geburt auĂźerhalb eines Hospitals in romantischer Umgebung zu erleben. Alles war wohlriechend und heimelig. Die Geburt meiner Tochter verlief ohne Komplikationen. Die Wehen pressende Mutter legte sich zur Entspannung in einen Whirlpool und das Neugeborene tauchte direkt ins Wasser ein. Ich war begeistert und wollte unbedingt, dass auch mein Sohn dort geboren wurde. Wir waren eine der letzten, die hier entbanden. Das Haus wurde danach leider geschlossen.
Als meine Tochter Ende März auf die Welt kam, begann es plötzlich zu schneien. Als mein Sohn Anfang Jänner auf die Welt kam, taute es. Ich hatte mein Lebensziel erreicht und damit begannen sich eigenartigerweise auch meine Hormone ins Gegenteil zu verwandeln. Für mich öffnete sich nun eine völlig andere Welt.
© Gunny Catell 2023-01-03