Der Geist, der in meinem Schlafzimmer sass

El Maya

von El Maya

Story
2011

Als das seltsame Phänomen passierte, war ich mitten in meiner Ausbildung als spirituelles Medium. An diesem Abend war zunächst alles ganz normal. Das sollte sich aber bald ändern. Ich ging ins Bett und mein kleiner Hund legte sich zu mir. Während wir uns in die Decke kuschelten, bemerkte mein Hund etwas. Sie rannte über das Bett und war nervös. Mein Hund fing an zu jammern. Anscheinend war etwas in diesem Raum und sie war sich sicher. Also habe ich mich konzentriert.

Ein Geist sitzt in meinem Rattansessel

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und öffnete sie sofort wieder. Als ich nach vorne schaute, sah ich einen Mann. Er saß in meinem Rattansessel. Dort, wo ich abends immer meine Kleider ablege. Mir war klar, dass ich konzentriert bleiben musste, sonst wäre der Spuk sofort vorbei. Also habe ich diese Person mit meinen Augen gescannt. Sein Gesicht war freundlich und mir fielen seine grossen Augen auf. Das war außergewöhnlich für einen Mann. Die Haare waren streng zurückgekämmt und glänzten leicht. Der Mann trug einen dunkelgrauen Anzug, der modisch an die 1950er Jahre erinnerte. Es ist der Sonntagsanzug, schoss es mir in den Kopf. Okay, jetzt war ich mir sicher, dass ich schon längst in die Kommunikation eingetreten bin.

Wir sind verwandt, erzählt mir der Geist

Der Mann lächelte sanft in meine Richtung. Fast so, als wäre es ihm ein wenig peinlich, auf meinem Stuhl zu sitzen. In meinen Gedanken fragte ich ihn, wer er sei. Sofort bekam ich eine mentale Antwort zurĂĽck. „Wir sind verwandt. Und wir sind uns ähnlich“, sagte er. Ich war ein wenig verärgert, weil ich keine genauen Informationen erhielt. Aber bevor das virtuelle Gespräch fortgesetzt werden konnte, jammerte mein Hund erneut. FĂĽr einen kurzen Moment wurde meine Aufmerksamkeit abgelenkt. Und in der nächsten Sekunde war der Mann verschwunden. Ich ärgerte mich und hoffte, ihn wiederzusehen. Doch nach einigen Wochen des Wartens gab ich die Hoffnung auf. Anscheinend war es eine einmalige Sache.

Mein Geist im Familien-Photoalbum?

Ungefähr ein Jahr nach diesem seltsamen Ereignis wurde der Mann im Sessel wieder relevant. Meine Mutter und ich sahen uns alten Fotoalben an. Als ich eine Seite umblätterte, fiel mir ein Passfoto auf. Das gibt’s doch gar nicht! Ich schrie innerlich. Und laut rief ich ins Zimmer: „Ich kenne diesen Mann“. Meine Mutter schĂĽttelte den Kopf. „Er war bereits tot, als du geboren wurdest“, sagte sie und sah mich erstaunt an.

Sie erklärte mir, dass dies ihr Onkel Ferdinand aus der Ukraine sei. Dieser Mann war der Mann, der in meinem Schlafzimmer saĂź. Und Onkel Ferdinand hatte diese groĂźen Augen – genau die Augen, die ich hatte. Ich befragte meine Mutter nach diesem Onkel, weil ich wissen wollte, wie er lebte. Anscheinend war er eine sehr spirituelle Person. Vielleicht war das die Ă„hnlichkeit, ĂĽber die er gesprochen hatte. Ich durfte das Passfoto mitnehmen und jetzt ist Onkel Ferdinand fĂĽr mich wichtig geworden.

© El Maya 2021-03-15

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