von Gabriele Koubek
Es ist Mittag, wir sind auf der Insel Giudecca und wir sind hungrig. Ein Hinweisschild zu einem Restaurant lockt uns in einen der Hinterhöfe.
Wir spazieren durch naturbelassene Gärten in denen Boote ihre vielleicht letzte Ruhestätte gefunden haben. Aber der Schein trügt, denn dieser Platz hier ist keineswegs ein Bootsfriedhof. Auf der Rückseite des Hauses stehen wir vor dem Eingang zu einer riesigen Werft.
Neugierig schauen wir durch die Fenster und erkennen, dass hier Gondeln gebaut und repariert werden. Vor dem Tor sitzt ein rauchender und telefonierender Arbeiter, dem es nicht im Geringsten interessiert, was wir hier tun. An den Wänden hängen hunderte Schablonen aus Holz und vielerlei Werkzeuge. Halbfertige Gondeln und Gondelskelette sind liebevoll und fürsorglich im Raum aufgestellt. Manche warten auf einen neuen Anstrich und bei anderen sind Löcher zu flicken und Dellen auszubessern.
Wir erfahren, dass der Bau einer Gondel mehrere Monate dauert und eine wahre Kunst ist die nur Venezianer beherrschen. Jedes Jahr muss die Gondel neu lackiert werden, da das Salzwasser, die Feuchtigkeit und die vielen Kollisionen den Lack stark beanspruchen.
Eine weiße Gondel mit edlen Stoffen ausgelegt steht majestätisch mitten in der Halle. Sie ist größer als die traditionell schwarzen Gondeln und wir fragen uns, wem die wohl gehört?
Gondeln sind das Symbol der Lagunenstadt. Die lang gezogenen schwarzen Boote waren in vergangenen Zeiten ein traditionelles Fortbewegungsmittel in der Stadt. Bei der Wahl des ersten Dogen 697 wurden sie erstmals erwähnt.
Sie dienten nicht nur dem Transport, sondern waren auch ein Statussymbol für reiche Venezianer. Diese schmückten ihre Boote mit Vergoldungen, bezogen ihre Sitze mit Brokat oder Seide und bemalten sie bunt.
1562 wurde vom Dogen die Farbe Schwarz für alle Gondeln vorgeschrieben, um der ausufernden Prunksucht venezianischer Bürger Einhalt zu gebieten.
Heute suchen hauptsächlich Touristen für viel Geld ein romantisches Gondelabenteuer. Ein echter Venezianer würde zustimmen, dass die Venezianer Handel getrieben haben, dass sie geplündert und intrigiert haben aber niemals haben sie gesungen. Die Geschichte erzählt, dass die Gondelserenaden eine Erfindung von Luigi Tortorella waren. Er war ein neapolitanischer Hotelportier in den fünfziger Jahren und hat damit eine weitere Einnahmequelle für den Tourismus gefunden.
Nach diesem interessanten Einblick in eine Gondelwerft spazieren wir weiter und finden das ausgeschilderte Lokal. Dort sehen wir kaum Touristen, sondern viele Arbeiter in Arbeitskleidung.
Wir freuen uns darüber, denn wenn die Einheimischen hier ihre Mittagspause verbringen dann ist das Essen sicher gut. Und so ist es auch. Wir bekommen traumhafte Vorspeisen und einen ausgezeichneten Fisch für erstaunlich wenig Geld.
© Gabriele Koubek 2022-09-15