von Katharina Brakel
„OMW 2 Grandma.<3“
Jana Kreuzer platzierte die Worte in ihrer Instagram Story und schaute sich das Ergebnis zufrieden an. Das Morgenlicht wirkte besser als jeder Filter, die Augenbrauen waren on fleek. Ein Meisterwerk des Millennialismus – perfekt inszeniert mit Peace-Zeichen und herausgestreckter Zunge. Gepostet.
Sie ließ Hand und Handy auf ihren Schoß sinken und schaute aus dem Autofenster. Bäume und Felder flogen an ihr vorbei, Schafe und Kühe kauten sich monoton durch die ewigen Grünflächen. Ungeduldig tackerte sie mit ihren langen Acrylnägeln auf der iPhone-Hülle herum.
„Bitte lass das, Schatz.“ Mama vom Vordersitz.
No Problemo, das Handy hatte eh gerade vibriert und die ersten Reaktionen auf ihre Story anmoderiert. Von Patrick gab es einen Feuer-Emoji, Timo ließ die 100 fliegen und Philipp wollte schon wieder reden, OMG … warum kapierte er es nicht? Screenshot direkt an Tessa, was für‘n Typ.
389 Views später fuhren sie endlich bei Oma Hilde auf den Hof und stiegen in einen lebensgroßen Hagebau Katalog aus. Die Blütenpracht ließ sich kaum in Pantone erfassen, kein Halm wuchs aus der Reihe und verrückte Deko-Figuren markierten das Alman-Revier. Ein kecker Solaraugen-Maulwurf begrüßte die Neuankömmlinge mit Peace-Zeichen und herausgestreckter Zunge. Jana verzog das Gesicht; es war definitiv Zeit für eine neue Selfie-Pose.
Auf der Hinterhof-Terrasse loungierten bereits einige Geburtstagsgäste, die sich an trockenem Bienenstich und starker Bowle bedienten. „Ach wie schön, da seid ihr ja endlich!“ Mit weit geöffneten Armen und einem noch breiteren Grinsen kam Oma Hilde auf die Neuankömmlinge zugetaumelt und begrüßte jeden einzelnen auf das Herzlichste. Drücker für Papa, Schmatzer für Mama und Fangirling für Jana. „So eine hübsche junge Frau!“
Bei 537 Views wurde Jana sanft zur Seite gezogen. Oma Hilde blickte sich erst konspirativ um, dann deutete sie mit einem subtilen Kopfneigen und einer korrespondierenden Augenbewegung nach unten. Auf Hüfthöhe ruhte ihre Hand wie ein Revolver und zielte mit einem längs gefalteten 20-Euro-Schein auf Janas Bauchnabel. Was hatte es eigentlich immer mit Großeltern und Geldscheinen auf sich, dass sich das Verschenken wie ein zwielichtiger Hinterhof-Deal anfühlte?
„Hier meine Kleine, kauf dir was Schönes“, flüsterte sie.
„Oh Oma, das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Jana umarmte sie. „Danke.“
Während sich Oma Hilde mit einem „Ich geh mal wieder rüber zu meinen Poker-Mädels!“ erstaunlich schwungvoll umdrehte, ließ Jana den gedealten Schein in ihrer Valentino Tasche verschwinden und zückte ihr Handy für einen erneuten Narzissmus-Check: 826 Views, unzählige Feuer-Reaktionen und ein sehr treffender Spruch von Tessa:
„Money can’t buy happiness – but it sure as hell gives you dope nails!”
© Katharina Brakel 2022-08-30