von Päter_Runkverr
Ich muss 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein. „Oma? Darf ich mir das mit dem Handschuh anhören?“ Milde lächelnd sucht sie mir die Kassette (die Älteren unter euch… egal) und weil ich echt brav war, darf ich sie selbst in das Tapedeck (noch egaler) des silbern glitzernden Hifi-Turmes (am egalsten) ganz vorsichtig und ehrfürchtig einlegen.
Ich drücke auf Play und regle anhand des Rauschens die Lautstärke: “Bedecke deinen Himmel Zeus…” vorspulen “…halb zog sie ihn, halb sank…” vorspulen “…hat mir ein Leids getan…” vorspulen “…walle walle…“ ach so ein Blödsinn, das mit dem Handschuh ist auf der B-Seite. Kassette raus, umdrehen, Kassette rein, zurückspulen: “Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp…” vorspulen: “…rings auf hohem Balkone die Damen…” ein bisschen zurückspulen und los geht’s: “Vor seinem Löwengarten das Kampfspiel zu erwarten, saß König Franz…” mit Kribbeln im Bauch warte ich auf die Szene wie auf das Schlagzeugbreak bei “In The Air Tonight” und endlich kommt sie: “…und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: ”Den Dank Dame, begehr ich nicht. Und verlässt sie zur selben Stunde.“ Mit hochgerissenen Armen renne ich jubelnd durchs Zimmer und meine Oma lächelt liebevoll kopfschüttelnd.
Am nächsten Tag im Kindergarten gehe ich zu Sandra, einem liebenswerten, beim Sprechen zur Zirkularatmung fähigen Mädl, das mich regelmäßig zu Statistenrollen einteilt, sie als Prinzessin aus etwaigen Situationen zu retten und ich verkünde ihr an diesem Tag doppelt so laut als sie gerade spricht, um auch einmal zu Wort zu kommen, dass heute ich eine Idee habe, die wir nachspielen können, die eh ganz leicht ist, sie mir nur ihre roten Prinzessinnenhandschuhe zu geben brauche und im Idealfall still stehen müsse.
Und ich werfe ihr den Handschuh ins Gesicht und bevor ich ihr überhaupt noch sagen kann, dass ich ihren Dank nicht begehre, sieht sie mich fassungslos an und beginnt bitterlich zu weinen. Panisch umarme ich sie und gebe ihr ein Bussi auf die Wange, um einer Strafe zu entgehen, sie aber schreit noch lauter und rennt kreischend zur Kindergartenpädagogin: “DER PÄTER HAT MIR MEINEN HANDSCHUH VOLL INS GESICHT GEWORFEN UND MICH DANN AUCH NOCH UMARMT UND MIR AUCH NOCH EIN UA GRAUSLICHES BUSSI GEGEBEN. IIIIIIIIH” Die Kindergartenpädagogin schaut mich böse an und sagt in versöhnlichem Tonfall zu Sandra: “Ja, manche Buben haben eine ganz eigene Art einem mitzuteilen, dass sie einen lieb haben.” die Kindergartenpädagogin winkt mich her: “Und du, lieber Päter, pflückst jetzt aber ganz schnell ein Gänseblümchen und holst der Sandra eine Vanillemilch.” Ich tue wie mir geheißen und als ich Sandra mit dunkelrotem Schädel beides überreiche und sehe wie Sandras Kopf meinem Konkurrenz zu machen versucht, höre ich hinter mir: “Sehr gut, schon besser. Das mit dem Flirten üben wir aber trotzdem noch ein bisschen gell?”
© Päter_Runkverr 2021-07-29