Der Hase und der Wolf

Jessica Kraft

von Jessica Kraft

Story

Der Wolf sagt: „Ich liebe dich“ zum Hasen. Der Hase erwidert seine Aussage mit „Danke“. Das Publikum ist schockiert. Der Hase ist ja voll das Arschloch. Was das Publikum jedoch nicht weiß ist, dass der Wolf tatsächlich ein böser Wolf ist. Auch wenn er in dieser Geschichte nicht die Großmutter von Gretel gegessen hat, war er gemein mit seinen Worten, ebenso mit seinen Taten. Der Wolf nutzt den Hasen für seine Bedürfnisse, der Wolf war dem Hasen überlegen. Es ist eine Liebesgeschichte, sagt zumindest das Poster zum Theaterstück. Wenn der Hase nicht nach seiner Nase tanzt, wird der Wolf böse. „Andere Hasen machen es auch“, sagt er mit einem teuflischen grinsen. Das Theaterstück spielt sich in einem Wald, immer an der gleichen Position, ab. Der Wolf wirkt sehr müde, verstimmt. Nur durch langen Schlaf verbessert sich seine Stimmung. Der Hase ist verwirrt. Allerdings war der Hase auch sehr jung, es ist davon ausgegangen, dass es die Normalität sei. Es vergingen Tage und Nächte, der Wolf schlafend neben dem Hasen. „Warum schläfst du so viel?“, fragt der Hase. „Weil ich müde bin“, schnappt er zurück. „Warum sind wir immer hier im Wald?“ „Wir haben keinen Grund woanders zu sein“, antwortet er. „Und hör auf mit deinem dummen Fragen, die anderen Tiere können uns hören.“ Eines Nachts, Glühwürmchen fliegen umher – die einzige Quelle an Licht – wird der Hase vom Wolf gezwungen, etwas zu tun, was der Hase nicht wollte. Der Hase zögerte. Es war noch zu jung. Es wollte doch nur geliebt werden. „Dann nicht“, schimpft er und wendet sich vom Hasen ab. Während der Hase auf seinen Rücken starrt, wird es mit Schuldgefühlen überrollt. Der Hase war schon immer von Unsicherheit geprägt, doch jetzt in diesem Moment, war es bereit alles zu geben, um dem Wolf zu gefallen. „Ich mache es“, sagt der Hase. „Es ist zu spät“, erwidert er. Der Wolf schlief tief und fest, der Hase weinte sich in den nächsten morgen. Nach einem Jahr im Wald entschied der Wolf sich zu trennen und weiterzuziehen, der Hase blieb zurück mit einem schlechten Gewissen, weil es froh war, frei zu sein. Der rote Vorhang schließt sich. Die Zeit springt in die Zukunft. Beide Tiere sind jetzt erwachsen und sind getrennte Wege gegangen. Der Vorhang öffnet sich. Der Wolf war krank. Er ist immer noch kränklich. Es ist nicht tödlich. Würmer haben sich in seinem Gehirn eingenistet, der Grund für sein extremes Verhalten. Der Hase ist nicht mehr in der Lage einen anderen Wolf zu vertrauen – sowie auch keinem anderen Tier. Es hat vergeblich nach einer bedeutsamen Verbindung gesucht, welches traurigerweise die Verbindung zu sich selbst gekostet hat. Der rote Vorhang fällt. Komplette Dunkelheit füllt den Saal. Das Geräusch des klatschenden Publikums klingelt im Ohr.

The End.




© Jessica Kraft 2024-08-19

Genres
Romane & Erzählungen
Hashtags