von Margareta Rinder
„www.kuttendreier.de“ prangt als Werbung für ein Autohaus auf dem Fahrzeug neben uns. Mir schießen Tränen in die Augen, während mein Teenager-Sohn seine verdreht ob meines Heiterkeitsausbruchs. Die Mitreisenden, mit denen wir dicht gedrängt im Flughafenbus zur Air Arabia warten, ignorieren mich. Manchmal kann man sich alberner Assoziationen einfach nicht erwehren – wir sind fast ausschließlich von arabischen Großfamilien umgeben, die Frauen durchwegs verhüllt.
„Leider nicht geschafft“, hatte mich mein Sohn Wochen zuvor informiert – also Nachprüfung in Französisch, aber auch die herbeigesehnten Ferien, der Instagram-Account musste befüllt werden. „Wüste“ war das Sehnsuchtsziel. Zusammen mit von mir angestrebter Französischpraxis ergab das eindeutig Marokko als Reiseziel – aber mitten im Hochsommer? „Ohne mich“, hatte mein Mann wissen lassen.
Nach Übernahme des Mietwagens starten wir in Agadir – erstes Etappenziel ist Taliouine, 200 km im Landesinneren Südmarokkos. Nach wenigen Kilometern tauchen wir in eine andere Welt – Eselskarren, Mopeds, Straßendörfer mit einem Gewirr aus klapprigen Autos, Verkaufsständen, traditionell gekleideten Männern, Frauen im Niqab. Natürlich verfahren wir uns trotz Navi, landen auf einer schmalen, aber in die richtige Richtung führenden Straße. Malerische Einsamkeit einer unendlichen Hochebene, Schafe, Kamele, die untergehende Sonne, zunehmende Nervosität in der hereinbrechenden Dämmerung – endlich vor uns eine beeindruckende rote, große Burg aus Lehm, die verfallende Kasbah, von der ein Teil bewohnt ist. Außer uns keine Gäste. Herzlicher Empfang, ein liebevoll ausgestattetes Zimmer hinter einem massiven hölzernen Tor. Im Innenhof auf wunderschönen Fliesen ein kleiner Tisch, Melonensuppe, Tajine, Brot, frisch gepresster Orangensaft, wir sehen die Gastgeberin in der Küche hantieren. Stille, der Ruf des Muezzins in der Ferne, der Mond am wolkenlosen Himmel. Selten eine so vollendet schöne Stimmung erlebt.
Am nächsten Morgen beim Frühstück kommt der Hausherr mit zwei Eseln zu uns, zeigt uns stolz ein junges Kamel im Stall, mein Sohn unterhält sich angeregt mit ihm – auf Englisch. Er erzählt vom Bemühen, die Kasbah zu restaurieren. Ich will meine Begeisterung und Bewunderung ausdrücken und trete ins Fettnäpfchen aufgrund gedankenloser Überheblichkeit, plappere davon, wie bereichernd und wichtig es doch sei, andere Kulturen kennenzulernen: „Ja sicher, wenn man Geld hat“, erwidert der Herr der Kasbah vom Stamm der Glaoui lächelnd.
Wir sind im Zentrum des Safran-Anbaues – willkommene Geschenke für daheim. Unser nächstes Ziel ist eine Übernachtung im Wüstencamp – es warten viele menschenleere Kilometer roter Erde, roter Berge, manchmal gesprenkelt mit weißen Punkten aus Ziegen und Schafen, ab und zu ein Hirte. Blauer Himmel, eine große Windhose, alte Dörfer aus Lehm. Erst als wir das Draa-Tal erreichen, nimmt der Verkehr wieder zu.
© Margareta Rinder 2021-01-28