von Helmut Forster
Es gibt auch den Hinterfotzigen.
Dazu muss ich was erklären. Wenn man den Pfeil löst, blickt man ihm nach, so weit man sieht, so gut man ihn sieht. Sehr oft, bei den etwas weiteren Entfernungen kann man den Pfeil selbst, wenn er in der Scheibe steckt, kaum mehr erkennen. Am ehesten erblickt man noch die Befiederung, das sind die Federn, drei Stück, die am Pfeilende befestigt sind, so wie das Leitwerk eines Flugzeuges. Sie haben auch dieselbe Aufgabe, sollen für einen möglichst geraden Flug sorgen, den Pfeil lenken. Den Schaft des Pfeiles erkennt man sehr schwer oder gar nicht, man orientiert sich zuerst an der Befiederung.
Nun, man merkt vielleicht, dass der Pfeil in der Luft etwas taumelt, eine winzige Kleinigkeit, eine minimale Ungenauigkeit beim Abschuss kann das schon auslösen. Man ist besorgt, wo wird der Pfeil das Ziel treffen, wie weit entfernt vom Zentrum wird er landen.
Der Pfeil schlägt ein, die Zielscheibe zittert leicht, dann wird es ruhig.
Gespannt strengt man seine Augen an, erspäht die Befiederung, erkennt die eigenen Farben, weiß also, dass man seinen eigenen Pfeil sieht. Große Erleichterung macht sich breit, die Federn sind genau über dem Zentrum, es scheint ja doch noch eine Zehn geworden zu sein und kein Fehlschuss, keine „Verlustpunkte“, die man mühsam aufholen muss.
Wenn man eine gewisse Anzahl von Pfeilen geschossen hat, und alle Schützen, die daneben stehen und ebenfalls auf ihre Ziele geschossen haben, damit fertig sind, geht man gemeinsam hinaus zu den Scheiben, um den Score zu notieren und die Pfeile zu holen.
Zuerst sicheren Schrittes, denn man rechnet mit einem sehr guten, zumindest passablen Ergebnis, nähert man sich der Scheibe. Mit jedem Schritt erkennt man genauer wo die Pfeile stecken, aus der Ferne war ja so manches noch ein klein wenig unsicher.
Dann wird dieser eine, der hinterfotzige, immer deutlicher.
Ja, die Befiederung steht genau über der Zehn, aber der Schaft, zuerst undeutlich, und dann immer klarer, bis es Gewissheit wird, dieser Schaft steckt sehr schräg irgendwo eher am Rand der Scheibe, statt der erhofften zehn, der erwarteten neun, oder zumindest einer acht sieht man nun eine zwei oder drei, denn es zählt ja, wo der Pfeil steckt.
Es gilt nicht, wo er uns den Hintern rausstreckt (in Form der Befiederung), dieser hinterfotzige Kerl (kein Kerl; Pfeil natürlich). Es ist zum aus der Haut fahren, findet ihr nicht auch?
© Helmut Forster 2023-10-21