von Ulrike Sammer
Mein Mann und ich erfuhren, dass es bei „Sant Tomas“ interessante Höhlen gibt und beschlossen, sie uns anzusehen. Wir fuhren in die malerische, ganz naturbelassene Bucht, die von Nudisten sehr geschätzt wird. Nachdem wir den Strand entlang gingen, bogen wir Richtung Landesinneres ab und kamen nach zweimaligem Fragen in ein Tal. Zu dieser Zeit hatten wir noch keine Zweifel an der Richtigkeit der Antworten. Später fragten wir uns, warum die Ortsansässigen falsche Auskünfte geben. Entweder wissen sie es selbst nicht, aber wollen sich keine Blöße geben oder sie sind grundsätzlich gegen Fremde. Die zweite Möglichkeit schien uns in der Folge immer zutreffender, schließlich hatte Menorca schon viele unliebsame Herren gehabt.
Die einzige Abkühlung bei der großen Hitze gab es bei einer Zisterne mit einem Zieh-Kübel. Völlig schattenlos gingen wir bei über 40° in ein Tal bis wir einen alten Engländer trafen, der meinte, dass es hier falsch sei. Also – alles zurück – weitere Wegsuche über Distelfelder und Steinmauern. Schließlich fanden wir eine Art Pfad, häufig dicht bewachsen mit Dornengestrüpp. Im Glauben, endlich die richtige Höhle gefunden zu haben, stiegen wir ganz steil hinauf und waren vor dem winzigen Eingang einer sehr langen Tropfsteinhöhle, die wir mit Taschenlampen erkundeten. Offenbar hatten Mineralienhändler einiges an Tropfsteinen heraus geschnitten. Als wir danach auf dem Weg fast umkehren wollten, traf mein Mann Leute, die uns sagten, wo unser Ziel, die große Höhle, sei. Von unten völlig unsichtbar, fanden wir den verwachsenen Eingang dieser „Kathedrale“, einer riesigen prähistorischen Kulthöhle, der „Cova d’es Coloms“ (deutsch Taubenhöhle). Die Höhle ist 110 Meter lang, 15 Meter breit und 24 Meter hoch. Diese enorme Höhe hat ihr auch den Beinamen „La Catedral“ eingetragen. Sie teilt sich in zwei Bereiche. Auf die 50m lange Haupthalle folgt nach einem Absatz ein niedriger, sich rasch verengender zweiter Raum. Die Höhle wurde ab 550v.Chr. als Begräbnisstätte genutzt. Man fand hier Keramik, Knochen und zwei bronzene Stierhörner.
Am Eingang führte ein nahezu unkenntlicher Felssteig in die Höhe und wir arbeiteten uns, oben angekommen, wieder über Mauern und Felder zu einer prähistorischen Siedlung, dessen Talayot wir von der Ferne sahen, durch. In der Hitze und der bisherigen Anstrengung war ich vollkommen erschöpft. Wir schlugen die Richtung zum Meer und zu unserem Auto ein, landeten schließlich bei zwei Gattern, die wir überstiegen und verirrten uns völlig zwischen wütend kläffenden Hunden. Zu meinem Entsetzen mussten wir wieder zurück und versuchten einen anderen Weg zwischen bedrohlichen Kühen. Ich hatte noch dazu eine rote Bluse an. Ich war knapp am Kollabieren. Unter einem der wenigen Bäumen ließ mich mein Mann schließlich zurück und ging allein auf die Suche. Als er mich abholte, mussten wir wieder auf einem dieser verbotenen, privaten Wege fahren – aber wenigstens war ich „gerettet“.
© Ulrike Sammer 2022-03-15