Der Junge mit dem Regenschirm

Tropfen hüpfen munter den Gehsteig auf und ab, treffen auf kalten Teer und dunkle Dächer. Sie rinnen in kleinen Sturzbächen an ihnen herab, treffen auf nasses Gras und noch nassere Pfützen.

Es tropft in regelmäßigen Abständen von seiner tief in die Stirn gezogene Kapuze, erst als er den Schirm aufspannt, bringt es die Erlösung. Sie lächelt.

Es ist ein blau-grün gestreifter Regenschirm, den gleichen hat sie auch gehabt, wohl als sie in demselben Alter war wie dieser fremde Junge da am ozeangleichen Bürgersteig.

Sie kennt ihn nur vom Sehen, sieht in nur ab und an, wenn er in den Bus ein oder aussteigt.

Er wird sie dabei nie beachten. Bis jetzt hat sie das auch nur selten. Doch jetzt schlurft er da an dem Zaun des Gartens entlang, der direkt an die Haltestelle angrenzt.

Und sie sieht ihm dabei zu, ihr Augenmerk immernoch wie paralysiert auf den hin und her wankenden Schirm über ihm gerichtet.

Es scheint, als würde er ihn nur deswegen aufgespannt haben, damit die Mutter nicht schimpft, nicht weil er nicht nass werden wollte, ganz im Gegenteil.

Seine Schuhe sind schon völlig durchnässt und auch seine Hosenbeine sind getränkt in dem Regenwasser, das kniehoch spritzt, als er in den weiten Lachen des von Furchen durchzogenen Gehwegs umherhüpft und größte Freude daran findet.

Sie muss lächeln. Belustigt. Nostalgisch. Verbittert. Sie kann sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so, voller Herzenslust in genau solche Pfützen gesprungen war.

Pitschnass heim gelaufen und dabei so lange getrödelt hat, dass ihre Mutter sich schon gesorgt hat.

Der Bus fährt endlich weiter, vorbei an den Jungen, der dabei noch nicht einmal aufsieht, sondern sich weiter damit begnügt, einen neuen Spritz-Höhen-Rekord aufzustellen, bis zu der unteren Hälfte seines Parkas geht es schon, das Wasser der Pfützen. Der Bus beschleunigt und der kleine Junge entschwindet aus ihrem Blickfeld.

Der Regenschirm liegt achtlos beiseite geworden auf dem ozeangleichen Bürgersteig und in seiner Unterseite sammelt sich der Regen in einer kleinen Lache.