Der Kaffee und das Vorstellungsgespräch -Teil

Jan Ginten

von Jan Ginten

Story
Kleinstadt / Mittelgroße Stadt (z.B. eine deutsche Stadt) Büro / Café 2020

Jonas stand am nächsten Morgen mit zwei Kaffeeträgern in den Händen vor dem Bürogebäude. Sein Herz klopfte fast genauso laut wie gestern. Immerhin hatte er den Job nur bekommen, weil Frau Schneider Humor bewiesen hatte — jetzt musste er zeigen, dass er nicht nur lustig, sondern auch fähig war.Drinnen im Büro lief alles geschäftig. Die ersten Kollegen nickten ihm zu. Einige grinsten, als sie die Kaffeebecher sahen. Offensichtlich hatte sich die Geschichte vom chaotischen Vorstellungsgespräch schon herumgesprochen.Am Empfang wartete Frau Schneider bereits. „Pünktlich. Und mit Kaffee. Sie lernen schnell.“Jonas reichte ihr einen Becher. „Ich lerne unter Druck besonders gut“, meinte er schmunzelnd.Der Tag begann mit einer schnellen Einführung: Wer sitzt wo, wo steht der Drucker (und dass er selten funktioniert), wie man sich im internen Chat vorstellt und wo man den guten Kaffee findet — Spoiler: nicht in der Küche, sondern zwei Straßen weiter beim Bäcker, wo Jonas gestern schon war.Am Nachmittag durfte Jonas gleich an einem echten Projekt mitarbeiten: ein Logo-Entwurf für einen neuen Kunden. Unsicher saß er vor dem Bildschirm, klickte die Programme durch, während seine Kollegin Lisa ihm erklärte, wie der Kunde „tickt“.Zwischendurch verhaspelte er sich, klickte falsch, das Layout verrutschte — peinlich. Doch statt böse Blicke bekam er ein Lachen. „Kein Stress“, meinte Lisa, „die ersten Tage ist jeder nervös. Frag ruhig.“Und so verging der Tag. Nicht perfekt, nicht reibungslos — aber echt. Und am Ende, als er seine Sachen packte, kam Frau Schneider noch mal vorbei.„Für den ersten Tag? Gar nicht übel. Und die Kaffees? Die waren besser als erwartet.“Jonas grinste. Vielleicht, nur vielleicht, war das der Anfang von etwas Gutem.Als Jonas aus dem Büro trat, atmete er tief durch. Feierabend. Sein Kopf schwirrte von neuen Namen, Passwörtern und Programmen, aber irgendwie fühlte es sich gut an. Er hatte es geschafft — zumindest den ersten Tag.Er lief die Straße entlang, vorbei an dem kleinen Bäcker von heute Morgen. Kurz überlegte er, ob er noch einen Kaffee holen sollte, aber dann lachte er leise. Vielleicht reichte es heute mal ohne Koffein-Schock.An der Ecke, direkt vor der Bahnstation, hörte er plötzlich jemanden rufen: „Hey, Kaffeeboy!“Er drehte sich um. Lisa, seine Kollegin vom Grafik-Team, kam ihm hinterher. Sie hielt zwei Coffee-to-go-Becher in der Hand.„Du hast deinen Ruf jetzt weg“, sagte sie grinsend und reichte ihm einen Becher. „Willkommen im Team. Und keine Sorge, jeder hat mal einen holprigen Start.“Jonas nahm den Becher, diesmal ohne Missgeschick. Die beiden standen einen Moment schweigend nebeneinander, während die Stadt um sie herum rauschte. Die Hektik des Morgens wirkte plötzlich weit weg.„Danke“, meinte er, einen Schluck nehmend. „Ich glaub, ich gewöhn mich hier ein.“Lisa lächelte. „Du wirst sehen — das Chaos bleibt. Aber mit Kaffee geht alles besser.“Sie stießen ihre Becher an, ganz unauffällig mitten auf dem Gehweg. Und Jonas wusste: Vielleicht war das tatsächlich der Anfang von etwas Gutem — nicht nur im Job, sondern überhaupt.



© Jan Ginten 2025-06-27

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional, Komisch, Hoffnungsvoll, Unbeschwert
Hashtags