Der Kelte mit den Mickymausohren

Ilona Weinrich

von Ilona Weinrich

Story
Am Glauberg in der Wetterau/Hessen

Schon lange bestaune ich das braune Hinweisschild auf der A45 in der Wetterau: Ein männliches Gesicht mit Mickymausohren. Darunter findet sich die Einladung, die Keltenwelt am Glasberg zu besuchen. Was hat es wohl auf sich mit diesem seltsamen Konterfei? Wer waren diese mysteriösen Kelten? Als junge Frau kannte ich sie nur als Gallier aus den Asterix-Comics und Fantasy-Geschichten mit Druiden. Damals dachte ich, sie seien ein Stamm aus Frankreich und Großbritannien. Was sicher stimmt, doch laut heutiger Archäologie nicht nur dort. Endlich war es so weit und ich besuchte den Mann mit den außergewöhnlichen Ohren in seinem Museum am Glauberg. Zuerst wanderte ich auf den Gipfel des Berges, um die Natur bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein zu genießen. Eine vortreffliche Aussicht in die Wetterau mit ihrer pittoresken Landschaft bot sich mir. Ich hätte stundenlang dort verweilen können zwischen den alten Bäumen und Siedlungsresten, die von den Kelten bis zum Mittelalter vorhanden waren. Doch das leise Rufen des Kelten war zu hören, sein Hügelgrab und das Museum zu schauen. Im Eingangsbereich empfing mich ein Willkommenskomitee von lebensgroßen Kelten mit den Riesenohrmuscheln. Im Museum erfuhr ich, dass nicht seine Ohren, sondern sein Helm es war, den ein überdimensionales Mittelblatt schmückte. Die Mistel war für die Kelten wohl eine heilige Pflanze. Sie verehrten die Natur, alles war belebt, magisch beseelt. Schwert, Schild und Rüstung, die auf seiner aus Sandstein gemeißelten Statue gut zu erkennen sind, zeugen von einem Krieger. Die reichlich erhaltenen Grabbeigaben, wie tönerne Gefäße und der edle Goldschmuck, heben seine bedeutende Stellung hervor, ein Keltenfürst vielleicht? Es wurden noch weitere Kettengräber in seinem Hügel gefunden. Deren Inhalt war wohl weniger spektakulär. Er könnte auch ein wichtiger Druide gewesen sein, denn um seinen hohen Grabhügel herum, ziehen sich Gräben bzw. Linien, die auf bedeutende Himmelsereignisse hinweisen. Ist er vielleicht ein Mann mit außergewöhnlichem Wissen gewesen? Leider weiß man sehr wenig über die Kelten, weil sie keine Schrift nutzten. Das, was man von Ihnen erfahren kann, basiert auf ihren ausgegrabenen Hinterlassenschaften und die wenigen schriftlichen Zeugnisse der Griechen Römer über sie. Es lässt sich nur spekulieren, welche Gründe es gibt, dass die Kelten die Schrift ablehnten. Diente es der Geheimhaltung ihres Wissens? Entsprach es ihrem oft von anderen beschriebenen kindlichem Naturell? Überspitzt formuliert, waren sie schreibfaul? Denn als handwerklich begabte und handelnde Hochkultur, was die Ausgrabungen beweisen, hätten sie problemlos das Schrifttum kultivieren können. So kommt es, dass die Kelten uns bis heute zahlreiche Rätsel aufgeben. In ihrer Blütezeit besiedelten sie ganz Mitteleuropa und Teile des Ostens. Sie waren kein einheitliches Volk, sondern lebten weitgehend autonom in ihrem Clan, ähnlich der Ureinwohner Nordamerikas. Es verband sie die gemeinsame Sprache, der Glaube und ihre Kultur.




© Ilona Weinrich 2024-06-14

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
Stimmung
Informativ, Inspirierend, Reflektierend