von Hermann Karosser
âMuss i denn, muss i denn zuum StĂ€dtele hinaus ⊠und du mein Schatz bleibst hierâ, wenn Elvis Presley dieses deutsche Volkslied trĂ€llerte, verband ich frĂŒher immer die Vorstellung damit, wie amerikanische Soldaten im Gleichschritt eine Kleinstadt verlassen, die sie im Zweiten Weltkrieg besetzt hatten. â Inzwischen ist das anders. Ich denke dabei an eine Beerdigung.
Unser Rotary Club ist mittlerweile 45 Jahre alt und da bringt es der Lauf des Lebens mit sich, dass einige â vor allem von den sogenannten GrĂŒndungsmitgliedern â uns âverlassenâ. Vor ein paar Jahren mussten wir uns von einem Clubmitglied fĂŒr immer verabschieden, das einer âheimtĂŒckischen Krankheitâ erlegen war, wie die Zeitungen in solchen FĂ€llen immer ein bisschen theatralisch zu schreiben pflegen.
Einen besonders engen Kontakt mit dem verstorbenen rotarischen Freund hatte ich nicht, aber trotzdem eine besondere Beziehung, weil er Rotarier der ersten Stunde war, MEINER ersten Stunde im Club.
Ich war eingeladen worden âmal vorbeizuschauenâ, es war ein Mittagsmeeting im altehrwĂŒrdigen Hotel JĂ€gerhof am MĂŒhldorfer Stadtplatz [das Hotel gibt es lĂ€ngst nicht mehr]. Den Vortrag hielt einer, den ich nicht kannte, den sie mir aber als Chef des Kies- und Betonwerks unten am Inn beschrieben. Ich erwartete AusfĂŒhrungen eines typischen Unternehmers, der mit Erfolgszahlen um sich werfen wĂŒrde und Perspektiven aufzeigen, wie man den Bodenschatz Kies noch effektiver und gewinnbringender ausbeuten könnte. â Was ich erlebte, war ein eher bescheidener Mensch, der diesem Fluss, dem er die Grundlage seines Betriebes verdankte, geradezu Ehrfurcht und Liebe entgegenbrachte. In wunderschönen Bildern â er war auch ausgezeichneter Fotograf â entfĂŒhrte er die mittĂ€gliche Hörerschar durch diese Flusslandschaft, die er kannte wie seine Westentasche und zeigte auch die Gefahren auf, die diesem Naturraum drohten.
Jetzt lag er vor uns in seinem letzten âBettâ, eher eine Holzkiste als ein Sarg, vielleicht auch ein bisschen âBootâ. Er hatte SEINE Trauerfeier einschlieĂlich der Requisiten selbst geplant, nachdem im klar geworden war, dass es zu Ende geht.
Ich schlug das Sterbebildchen auf, da schaute mir ein Mensch entgegen, den ich nicht kannte, gezeichnet vom langen Kampf gegen die Krankheit, GesichtszĂŒge, einem GemĂ€lde gleich wie von einem Flussgeist aus dem Inn.
Dann trugen Sie ihn hinaus von der Aussegnungshalle bis zu der schlichten Grabstelle. Eine Blaskapelle fĂŒhrte den Trauerzug an und ganz entsprechend seinen Regieanweisungen spielten und sangen wir das alte Lied: âMuss i denn, muss i denn zuum StĂ€dtele hinaus ⊠â.
Wenn ich heute ĂŒber den Friedhof gehe, mache ich Station am Grab des alten Freundes. Schade, dass er von da aus den Inn nicht sehen kann. Ein riesiger Findling liegt dort, so groĂ, dass er das ganze Grab bedeckt. Ein âKieselsteinâ aus dem Inn. Ich bin sicher, er hat ihn selbst geborgen und fĂŒr genau diesen Zweck aufgehoben. Er, der gute Freund des Inn.
© Hermann Karosser 2021-03-09