Es ist schon viele Jahre her, meine Kinder waren noch klein, da mieteten wir uns ein Häuschen mit einem großen Garten. In diesem Garten standen wunderschöne alte Bäume. Die Kinder sollten in der Natur aufwachsen und zu ihr Verbindung entwickeln. Es gab vier Zwetschgenbäume (die alte Sorte mit den kleinen spitzen Früchten, die so einen süßen Geschmack bekommen, wenn sie reif sind), zwei Nussbäume, drei Fichten, eine Lärche, zwei Föhren, Apfel- und Birnenbäumchen und einiges mehr. Eine besondere Verbindung hatten wir zu dem alten Herzkirschenbaum, der hinten im Eck stand und dadurch in zwei Nachbargärten hineinragte. Mein Bruder baute für die Kinder dort ein Baumhaus. Der Baum war perfekt für so ein Vorhaben, weil innen drin die dicken Äste gut nach außen gewachsen waren und somit der Raum vorhanden war, den man für den Bau eines Häuschens braucht. Das war eine unglaubliche Freude, wenn der Kirschbaum in voller Blüte stand. An Sonnentagen hörte man ein summen, brummen und schwirren, Musik in meinen Ohren. Die Augen waren geblendet von dem strahlenden Weiß und der Duft war betörend. Ein Sinneserlebnis welches meine Seele berührte. Ich weiß noch, dass ich den Kinderwage unter die Zweige schob, damit meine Tochter-damals sieben Monate- auch in dieser Wunderwelt, dieser Aura des Baumes, verweilen konnte. Da gibt es ein Foto, wo sie ihr Lächeln zeigt. Just dieser Baum war den Nachbarn ein Dorn im Auge. Fiel doch der ganze ‘Mist’ in ihre Gärten.
Eine Nachbarin hatte ein besonderes Problem. Die Kirschenkerne schlugen ihr beim Rasenmähen an die Schenkel und Füße. Auch die Blätter im Herbst machten so viel Mist. Jedesmal, wenn sie mich sah, hatte sie eine Beschwerde vorzubringen. Als junge Mutter hatte ich nicht die Zeit näher darauf einzugehen. Aber dann geschah etwas Fatales. Die Nachbarin nahm Kontakt zu der Hausbesitzerin, die in Kärnten wohnte, auf.
Eines Tages kam die Feuerwehr in unseren Garten. Sie teilten uns mit, dass einige Bäume geschnitten werden müssen. Die Hausbesitzerin habe es so angeordnet, ich wusste davon nichts. Ich weiß nicht mehr warum ich nichts mehr getan habe oder tun konnte, auf jeden Fall wurden fast alle Bäume umgeschnitten, auch die alten Zwetschgenbäume und der Kirschenbaum. Mein Herz blutete, das war nicht mehr unser Garten. Es fehlte eine Dimension.
Gerade jetzt werden in unserm Dorf viele gesunde Bäume umgeschnitten. Viele Menschen wollen für ihr Leben oder Sterben nicht selbst verantwortlich sein. Die Gemeinde ist schuld, wenn ihnen ein Ast auf den Kopf fällt. Das ist für mich der falsche Weg. So ein Baum birgt ein ganzes Universum in sich. Der Austausch mit diesen Lebensräumen ist grundlegend für unser Dasein. Heute versuche ich den Sinn für die Natur in meinen Enkelkindern zu wecken, die zu meiner Freude sehr empfänglich dafür sind.
© MonikaMariaMaifeld 2021-04-28