Es war einmal ein kleiner Ritter namens Leo. Er lebte in einer groĂźen Burg auf einem HĂĽgel, von wo aus er jeden Tag in die Ferne schauen konnte. Leo liebte sein Ritterleben. Er trug eine glänzende RĂĽstung, einen Helm, der fast zu groĂź fĂĽr ihn war, und einen Schild, der funkelte wie die Sonne. Doch es gab eine Sache, vor der Leo sich fĂĽrchtete – den Drachen, der in der tiefen Höhle am FuĂźe des HĂĽgels lebte. Die anderen Ritter erzählten oft schaurige Geschichten ĂĽber den Drachen. Sie sagten, er wäre riesig, hätte scharfe Zähne und könne Feuer speien. „Bleibt bloĂź weg von der Höhle“, warnten sie Leo. „Der Drache ist gefährlich!“ Aber Leo war auch neugierig. Er wollte den Drachen mit eigenen Augen sehen. Eines Tages, als die Sonne hoch am Himmel stand und die Vögel fröhlich sangen, beschloss Leo, mutig zu sein. „Ich werde zum Drachen gehen und herausfinden, ob er wirklich so furchteinflößend ist“, sagte er zu sich selbst. Mit klopfendem Herzen zog Leo seine RĂĽstung an, schnallte sich sein kleines Schwert um und machte sich auf den Weg zur Höhle. Je näher er der Höhle kam, desto größer wurde sie. Dunkel und geheimnisvoll lag sie vor ihm. Leo konnte seinen Mut fast in seinem Brustkorb hĂĽpfen hören. Als er vor dem Eingang stand, rief er mit zitternder Stimme: „Hallo? Drache? Bist du da?“ Zuerst hörte er nichts. Dann ein leises Rascheln. Und plötzlich tauchte ein groĂźer Schatten auf. Leo hielt den Atem an. Aus der Dunkelheit trat ein Drache hervor. Doch statt gefährlich auszusehen, wirkte der Drache freundlich. Seine schimmernden, grĂĽnen Schuppen funkelten im Sonnenlicht, und seine Augen sahen warm und neugierig aus. „Hallo, kleiner Ritter“, sagte der Drache mit einer sanften, tiefen Stimme. „Was fĂĽhrt dich zu meiner Höhle?“ Leo zitterte ein wenig, aber dann nahm er all seinen Mut zusammen. „Ich… ich wollte dich sehen. Die anderen Ritter sagen, du seist gefährlich, aber du siehst gar nicht so aus.“ Der Drache lächelte und legte sich auf den Boden, sodass er mit Leo auf Augenhöhe war. „Ach, die Ritter! Sie haben Angst vor mir, weil ich groĂź bin und FlĂĽgel habe. Aber ich bin gar nicht gefährlich. Ich mag es lieber, Geschichten zu erzählen und Wolken zu beobachten, als jemanden zu erschrecken.“ Leo staunte. „Du magst Geschichten? Ich auch!“ Der Drache nickte begeistert. „Oh ja, ich kenne Geschichten von fernen Ländern, von geheimnisvollen Schätzen und mutigen Helden. Aber manchmal fĂĽhle ich mich hier unten ein wenig einsam.“ Leo dachte nach. „Vielleicht könnten wir Freunde sein? Ich liebe Abenteuer, aber manchmal ist es schöner, wenn man nicht alleine ist.“ Der Drache strahlte. „Das wäre wundervoll! Wir könnten zusammen die Wolken beobachten und Geschichten erfinden.“ Von diesem Tag an waren Leo und der Drache die besten Freunde. Jeden Tag trafen sie sich vor der Höhle, erzählten sich Geschichten oder flogen mit dem Drachen hoch in die LĂĽfte, um das Land von oben zu betrachten. Als Leo zurĂĽck zur Burg kam, staunten die anderen Ritter nicht schlecht. „Du warst beim Drachen und bist heil zurĂĽckgekehrt?“ fragten sie ĂĽberrascht. Leo lachte. „Ja! Und wisst ihr was? Der Drache ist gar nicht böse. Er ist ein toller Geschichtenerzähler und mein neuer Freund.“Und so lernten die Ritter, dass man manchmal mutig sein muss, um die Wahrheit zu entdecken. Und wenn man sich traut, neue Freundschaften zu schlieĂźen, kann man die wunderbarsten Abenteuer erleben.
© Michelle-Denise Benten 2024-09-25