von FetterRainer
Der kleine Trommelmann sitzt am Fluss und wĂŒnscht sich was. Die Wellen lassen Zeit vorbeiflieĂen, ohne Stress und doch stetig, unaufhaltsam, immer in die gleiche Richtung. Und das Wasser bleibt trotzdem gleich alt und glitzert in der Sonne.
Es ist schon komisch, wenn man meint, die Zeit lĂ€uft einem davon. Wenn man Sachen hintanstellt, vernachlĂ€ssigt, sogar kaputt macht, nur weil man das GefĂŒhl hat, es mĂŒsse sich was tun. Und dann tut sich etwas und die Zeit lĂ€uft weiter, aber man weiĂ nicht, was man damit anfangen soll.
Der Stein, auf dem er sitzt, ist warm und sein Bauch schlÀgt Falten. Zugenommen hat er, obwohl er in letzter Zeit nichts isst.
Der kleine Trommelmann hat eine Pusteblume im Glas dabei. Ein konservierter Wunsch, abgekapselt von dem ganzen Drumherum, das so schnell, in einem grauenhaften Augenblick in sich zusammenfallen kann und auf einmal nicht mehr ist. Eingeschlossen, damit ihm nichts passiert.
Es ist schön hier. Der Himmel, die BĂ€ume, das Wasserrauschen, ein GefĂŒhl von Freiheit und ein bisschen GlĂŒck liegt in der Luft, aber der kleine Trommelmann merkt es nicht. Er hat Mist gebaut, immer wieder, bis ein ganzer Haufen zusammengekommen ist, und auf dem sitzt er jetzt. Allein, mit einem Wunsch im Glas.
Wenn etwas kaputt geht, kann man es reparieren, aber dann ist es eben nur repariert und nicht mehr ganz, hat einer gesagt. Das wollte der kleine Trommelmann nicht hören. Aber nur weil man etwas will oder nicht, Àndert das nichts daran, dass es ihr ohne ihn besser geht als mit. Das ist das Schlimmste.
Es wĂ€r auch traurig, wenn es dir egal wĂ€re, sagt er zu anderen und zu sich selbst. WĂ€r es wohl ja, aber trotzdem ist es ganz und gar und ĂŒberhaupt nicht fein. Der Hals tut ihm weh vom Rauchen, aber irgendetwas muss er doch tun. Die Stummel packt er ein, der Fluss kann schlieĂlich nichts dafĂŒr. Der flieĂt ohne Schuld und ohne Meinung vor sich hin und lĂ€sst mit jeder Welle auf seine ekelhaft bezaubernde Art all die Momente vergehen, mit denen der kleine Trommelmann nichts anzufangen weiĂ.
Er solle sich nichts erwarten, hat sie gesagt, und dann war sie weg. Dass sie das auch nie so wollte, wie es jetzt ist. Wenn es keiner will, warum passiert es dann. Die Pusteblume im Glas hat keine Antwort, woher auch. Der kleine Trommelmann hatte sie in seinem Rucksack mitgebracht und befĂŒrchtet, dass er sie dem Fluss mitgeben wĂŒrde. Damit sie irgendwo einen Wunsch findet, der in ErfĂŒllung gehen kann.
Wenn er keine Zigaretten mehr hat, wird er sie wieder mit nach Hause nehmen, wo niemand auf ihn wartet. Bis auf die ganze versĂ€umte Zeit, die er fĂŒr sich selber wollte und mit der er jetzt nichts anzufangen weiĂ.
Nichts erwarten soll er sich. Deshalb erhofft er eben. Wie lange er das kann, will er gar nicht wissen. Ob das irgendwann aufhören könnte mit dem Hoffen, weil man es nicht mehr schafft. Das wÀre das Zweitschlimmste.
Der Fluss rauscht weiter und es wird spĂ€ter, und doch bleibt das Wasser gleich alt. Und neben ihm sitzt der kleine Trommelmann und wĂŒnscht sich was.
© FetterRainer 2021-06-29